Nicht Öl, Sand im Getriebe!

■ Intellektuelle sind immer in Opposition zum Status quo. Edward Saids Mutmacherbuch für Schwache und Zweifler

Verunsicherung allerorten, vor allem links. Nach dem Zeitenbruch suchen alle nach dem „Ort des Intellektuellen“. Viele, die einst die rote Fahne hochhielten, scheuen sich heute nicht, rechts zu suchen. Edward Said, Palästinenser mit amerikanischem Paß, reanimiert dagegen ein altes, aber nicht veraltetes Angebot. Der Literaturwissenschaftler spottet über das „Ende der Geschichte“, will nicht Diener der Macht sein und meidet hartnäckig „Götter, die keine sind“. Sein Motto: Widerständig leben statt der Macht ums Bein zu schleichen. Medizin für Zweifler, ein Buch, das Mut macht.

Said stand schon immer selbstbewußt auf der anderen Seite. Er hat sich stets – in den USA gänzlich unpopulär – für die Rechte der Palästinenser eingesetzt. Das hat ihm viel Kritik eingetragen, auch wenn er lediglich Terror und Extremismus aller Beteiligten angesprochen hat. Das Osloer Abkommen, am 13. September 1993 von Israel und der PLO unterzeichnet, nannte er „die Fortsetzung der israelischen Kontrolle über die besetzten Gebiete“. Auch das hat ihm weder Ehrungen noch viele Freunde eingetragen. Allerdings bei einigen den Ruf, einen unbestechlichen Blick zu haben. Gore Vidal meinte, Said sei einer, der „nicht nur die unvermeidlichen zwei Seiten eines jeden Problems beleuchtet, sondern auch noch die dritte Dimension“. Das beweist er auch im aktuellen Band.

Ein kluger Kopf kann vielfältig eingesetzt werden. Intellektuelle, so Said, hätten „immer die Wahl, sich entweder auf die Seite der Schwächeren, der Unterrepräsentierten, der Vergessenen und Verdrängten oder auf die Seite der Mächtigen zu stellen“. Im Gleichschritt mit dem Mainstream kommt der postmoderne Intellektuelle zu Macht und Geld, in Presse und TV ebenso wie in der Hochschule, Kirche, einer Partei, einem Interessenverband oder als Teilnehmer von Expertenrunden. Für Said sind Menschen, die ihren Intellekt auf solche Weise verschwenden, korrupte Mitläufer, die das grassierende Herdendenken fördern.

Die wirklichen Intellektuellen meiden diese falschen Götter, insistiert Said, sie stehen in Opposition zum Status quo. Wahrheit und Freiheit zählen noch. Kein Schwanken. Intellektuelle müßten „unbequem, widerborstig, ja lästig“ sein. Sie stehen lebenslänglich außen, im Exil, ihr Gewinn sind immaterielle Güter. Pathetisch ist das überhaupt nicht, meint Said: „Der Macht die Wahrheit entgegenzuhalten ist kein hochtrabender Idealismus.“ Wer Said liest, wird zum Widerstand gegen Sozialabbau und verlogener Globalisierungs- diskussion gezwungen. Sachzwänge ersetzen ihm nicht das Nachdenken über eine bessere Welt. Keine Kapitulation also: Saids Essays sind ein Plädoyer für Geradlinigkeit und gegen „lemurenhafte Toleranz“. Sie werben leidenschaftlich dafür, nicht Öl im Getriebe der Welt zu sein, sondern Sand. Peter Köpf

Edward W. Said: „Götter, die keine sind: Der Ort des Intellektuellen“. A. d. Amerik. Peter Geble, Berlin Verlag 1997, 150 S., 32 DM