■ Die Kirchen als Verbündete im Kampf gegen Scientology?
: Herr, wirf Hirn vom Himmel!

Scientology darf man getrost einiges vorhalten: die psychische und physische Ausbeutung seiner Mitglieder; ein exzessiv totalitäres Weltbild; eine aggressive, unter einem Kirchenmäntelchen versteckte Profitmaximierung – nur eines geht eben nicht: dem Sektenverein eine verfassungsfeindliche Bestrebung zu unterstellen, die zielgerichtet den Sturz der parlamentarischen Demokratie herbeizuführen trachtet. Da werden Äpfel zu Birnen gemacht. Und statt auf Aufklärung und Prävention zu setzen, wird wieder einmal nur populistisch der Knüppel aus dem Sack geholt.

Wer wie Bayern und Baden-Württemberg Scientology zum Beobachtungsgegenstand der Verfassungsschützer erklärt, bekämpft damit keineswegs die abstrusen Wahnvorstellung der verschrobenen Science- fiction-Freaks um deren verstorbenen Guru Ron Hubbard. Allenfalls verhilft er den legitimationsgeschädigten Geheimdienstbehörden zu einer neuen, zweifelhaften Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Dem Sektenkonzern mit den Mitteln der Geheimdienstler beizukommen, mutet an wie der Versuch, Eisberge mit einem Tauchsieder schmelzen zu wollen.

Es scheint, auch Bayerns Innenminister Beckstein ist zwischenzeitlich ein solcher Verdacht gekommen. Wie anders will man sich erklären, daß nun auch er, der als einer der ersten seine Schlapphüte auf Hubbards Jünger ansetzte, auf einmal seelsorgerische Hilfe im Kampf gegen die Sekte herbeifleht. Ein koordiniertes Vorgehen der beiden großen Kirchen fordert der Minister. Sie sollten die Behörden bei den „gegen die Scientology-Organisation ergriffenen staatlichen Maßnahmen“ unterstützen. Dem immanenten Eingeständnis bisherigen Mißerfolges folgt die Frage: Bitte schön, Herr Beckstein, wie? Der Priester als Verfassungsschützer in einer Front im Glaubenskrieg gegen „antichristliche Ausrichtungen“? Sollen etwa gläubige Katholiken die Scientologen dort unterwandern, wo V-Leute der Geheimdienstler versagen? Drei Ave Maria dafür, daß es soweit nicht kommt.

Wer dem blanken Populismus nicht auf den Leim gehen will, wird sinnvollerweise die Auseinandersetzung mit Scientology denen überlassen, die dafür zuständig sind – den Strafverfolgern und Finanzämtern, den Sektenbeauftragten und der zuständigen Enquetekommission des Bundestages. Für Minister Beckstein beten wir: Herr, wirf Hirn vom Himmel! Wolfgang Gast