Eine typisch deutsche Route

Die Straße der Romanik führt zu den bedeutendsten Bauwerken Sachsen-Anhalts. Das Mittelalter lebt zwar durch die Vermarktung auf, endet aber an der Landesgrenze. Ein Streifzug  ■ Von Stefan Eggert

Alle Wege der sachsen-anhaltinischen Romanik führen nach Magdeburg und gehen von dort aus. Magdeburg hat gerade in letzter Zeit keinen besonders guten Ruf. Skins und Punks prügeln und meucheln sich fast wie einst die Welfen und die Ghibellinen. Trotzdem ist die von Kriegszerstörung und Plattenbauwucher geprägte Stadt einen Besuch wert. Grund sind die romanischen Bauten, wie zum Beispiel das Kloster „Unser Lieben Frauen“, der angeblich bedeutendsten romanischen Anlage Deutschlands. Hier wird zeitgenössische Kunst ausgestellt. Gerade der Kontrast zu den dicken Mauern und Bögen verleiht der Präsentation moderner Skulpturen unter Kapitellen und rundbogigen Fenstern einen besonderen Reiz.

Von Magdeburg aus muß man sich entscheiden, ob man auf der Straße der Romanik die kleinere Nord- oder die sehr weitläufige Südroute nehmen möchte. Mit den Schriften und Plänen über die diversen Routen und Orte kann man allerdings auch alle Stationen nach eigenem Belieben ansteuern und beispielweise in Naumburg oder Halberstadt beginnen.

72 Burgen, Schlösser und Klöster aus dem 10. bis zum 12. Jahrhundert sind in das Konzept des Tourismus-Verbandes Sachsen- Anhalt aufgenommen worden. Doch selbst für weitergehende Bildungs- und Freizeitinteressen ist man unter dem Motto „Jenseits der Straße der Romanik“ gut beraten. Viele wird es von Magdeburg aus in den Süden ziehen, denn dort erhebt sich der Harz und lockt das Weinbaugebiet des Burgenlandes von Saale-Unstrut. Orte wie Quedlinburg, Halberstadt und Halle liegen auf der Route, jede Stadt ein Kapitel für sich. An solchen Orten allein die Brille der Romanik aufzusetzen wäre eine enorme Beschränkung, ohne sie wäre es allerdings nur halb so schön.

Hat man erst einmal einige Stationen der Route absolviert, beginnen die Vergleiche und bilden sich Vorlieben heraus. Quedlinburg mit seiner Stiftskirche St. Servatius und dem berühmten Domschatz oder der wunderbaren Altstadt mit den 1.200 Fachwerkhäusern soll als offizielles Weltkulturerbe hier nur kurz erwähnt werden. Allein in Quedlinburg könnte man mehrere Tage verbringen. Gernrode, am Rande des Harzes gelegen und in enger Verbindung mit dem Kurort Bad Suderode, sollte man nicht übergehen. Das Städtchen selbst wirkt ein wenig langweilig, daran ändert auch das Kuckucksuhr- Museum nichts. Die schöne Stiftskirche St. Cyriakus ist jedoch ein herausragender Bau. Von weither schon kann man die beiden Rundtürme mit den spitzkegeligen Abschlüssen erkennen.

Wieviel Schindluder zu DDR- Zeiten mit den Burgen und Schlössern getrieben wurde, läßt sich an Schloß Neuenburg an der Unstrut heute kaum noch erkennen. Die Kunsthistorikerin Christine Glatzel hat in einigen Räumen dieser seit 1090 entstandenen Burg einige Fotos ausgestellt, auf denen die Verwahrlosung und Zerstörung dieses thüringischen Fürstensitzes dokumentiert ist. DDR-Bürger durften diese Burg nicht betreten. Als sie sich in der Wendezeit Einlaß verschafften, fielen sie aus allen Wolken, denn jahrzehntelang hatte man ihnen vorgegaukelt, die Burg werde restauriert. Nun ist die mächtige Burg über dem kleinen Ort Freyburg – der Rotkäppchen- Sekt kommt von hier – einer der Glanzpunkte der Straße der Romanik.

Das Marketingkonzept „Straße der Romanik“ ist durchaus sinnvoll. Hier wird nicht zwanghaft etwas erfunden oder in einen Rahmen gepreßt, was nicht hineinpaßt. Die Erhaltung der mittelalterlichen Bauten verhalf außerdem etlichen Menschen in Sachsen-Anhalt zu Jobs, wenn auch meist nur auf ABM-Basis.

Der karge Norden des Landes wird über diverse Harzrouten mit dem Burgenland des Südens verbunden. Die Grenzen zu den anderen Bundesländern sind zwar fließend, aber eine sinnvolle Verbindung zur Straße der Romanik in Niedersachsen sucht man vergeblich. Davor steht wohl der Lokalpatriotismus hüben wie drüben.

Weitere Infos beim Tourismus-Verband Sachsen-Anhalt, Große Diesdorfer Str. 12, 39108 Magdeburg, Tel.: 0391/7384300,

oder vom Fremdenverkehrsverband Saale-Unstrut-Elster,

Am Gerichtskeller 5, 06632 Freyburg, Tel.: 034464/3030.

Literatur: Marion Schmidt: „Auf der Straße der Romanik“. Schmidt- Buch Verlag, Wernigerode, 1993, 19,80 DM