Die Chemie stimmt: Die Erlöse explodieren

■ Die Branche saniert sich durch Arbeitsplatzabbau. Investiert wird im Ausland

Wenn heute der Vorstandsvorsitzende der Badischen Anilin- und Sodafabrik (BASF), Jürgen Strube, die Konzernbilanz für das Geschäftsjahr 1996 der Öffentlichkeit präsentiert, darf auch in Ludwigshafen endlich offiziell gestrahlt werden: um die Wette mit der Konkurenz aus Leverkusen und Frankfurt am Main. BASF ist nach Bayer und Hoechst der dritte Chemiekonzern, der mit einer Rekordbilanz für 1996 aufwarten kann: 4,414 Milliarden Mark Gewinn vor Steuern (plus 6,9 Prozent) und eine Umsatzsteigerung um 5,5 Prozent auf 48,776 Milliarden Mark. Und durch das hauseigene Abwassersystem werden an diesem Mittwoch – neben den flüssigen Rückständen aus der Produktion – auch die Reste aus zahlreichen Champagnerflaschen in den Rhein gespült werden.

Bei Bayer knallten die Korken schon vor Monatsfrist. Denn der Vorstandsvorsitzende Manfred Schneider hatte da gerade den Rekordabschluß 1996 vorgelegt: 4,464 Milliarden Mark Gewinn vor Steuern. Und ein Jahresumsatz von knapp 50 Milliarden Mark. 1997 soll das nächste Rekordjahr werden. Das Ergebnis für die ersten beiden Monate des laufenden Geschäftsjahres habe die Planungen bereits „deutlich übertroffen“, sagte Schneider. Noch mehr Umsatz, noch höhere Gewinne – noch weniger Arbeitsplätze bei Bayer in Deutschland. Auch für die Belegschaft des Chemiegiganten war 1996 ein Rekordjahr. Selters statt Sekt. Abgebaut wurden 2.660 Stellen im Inland. Und 1997 sollen noch einmal rund 1.000 MitarbeiterInnen von Bayer in Deutschland ihre Jobs verlieren.

Einen Rekord konnte auch der Branchenführer Hoechst (Umsatz: 50,9 Milliarden Mark) melden. Trotz Umsatzeinbußen im traditionellen Chemiegeschäft von rund zwei Prozent konnte Vorstandsboß Jürgen Dormann für 1996 eine Gewinnsteigerung um 29 Prozent auf 5,3 Milliarden Mark vor Steuern vermelden. Sinkender Umsatz – expoldierender Gewinn? Das Wunder vom Main? Verdient hat Hoechst so prächtig, weil der Konzern die Einbrüche beim Umsatz der Hoechst AG durch exorbitante Umsatz- und vor allem Ertragssteigerungen bei Hoechst Marrion Roussel (HMR) im Pharma- und Pflanzenschutzmittelgeschäft mehr als nur auffangen konnte. Und auch die geschrumpfte Hoechst AG in Deutschland werde in Zukunft wieder positive Zahlen zum Betriebsergebnis beisteuern können, glaubt Dormann. Denn das Ergebnis für 1996 sei noch durch die Kosten des „Konzernumbaus“ belastet gewesen. Konzernumbau? Das ist nicht nur die „neue Konzentration auf die Kerngeschäfte“ wie Pharma (HMR) und Biotechnologie (Agevo) und auf die Auslandsaktivitäten: „Der Konzernumbau kostet auch Jobs“, sagte Dormann bei seinem Amtsantritt 1994. Von 1991 bis 1996 wurden rund 37.000 Jobs bei Hoechst im Inland gestrichen. Und das ist nicht das Ende. Der weltweit harte Wettbewerb, so Dormann, zwinge zu weiteren Rationalisierungsmaßnahmen.

Und was machen die Chemiegiganten BASF, Bayer und Hoechst mit ihren Rekordgewinnen? Die schütten sie an die Aktionäre aus. Bayer erhöhte die Dividende pro 50-Mark-Aktie von 1,50 auf 1,70 Mark, Hoechst von 1,30 auf 1,40 Mark. Und sie nutzen sie für Investitionen – in Übersee. Denn nur noch dort, so Dormann, seien noch glänzende Geschäfte zu machen. Das sieht auch Schneider (Bayer) so: „Nur noch außerhalb der Grenzen der Europäischen Union sind auch in Zukunft noch exorbitante Umsatzsteigerungen zu erwarten.“ Bayer wird in diesem Jahr allein in Thailand und Indonesien jeweils eine halbe Millarde Mark investieren, eine weitere halbe Millarde im übrigen Asien. Und der Standort Deutschland? Hoechst habe in Deutschland zwar einen gesellschaftlichen Auftrag, weil der Konzern hier seine Wurzeln habe, sagte Dormann. „Aber wir haben den Patriotismus ein bißchen übertrieben.“ Was sei schließlich schon deutsch an Hoechst? „Unser kuwaitischer Aktionär hat mehr Anteile als alle deutschen Aktionäre zusammen.“ Klaus-Peter Klingelschmitt