Hosen, Waffen, Räder: Wo sind sie geblieben?

■ Die Bundeswehr half Albaniens Armee. Hilfsgüter und Ausrüstung sind verschwunden

Berlin (taz) – Where are all the trousers gone, wo sind all die Hosen geblieben? Wo die deutschen Kochlöffel, die deutschen Stühle, das deutsche Sprachlabor? Wo die 29 Radfahrzeuge, die 4 Feldküchen, der Krankenwagen, die 40 Tonnen Sanitätsmaterial und vor allem die 20 Triebwerke für MiG- 21-Kampfflugzeuge? Ab Ende 1995 hat die Bundeswehr die albanische Militärakademie „Skenderbej“ und das Militärhospital in Tirana mit Hilfslieferungen aus alten NVA-Beständen unterstützt. Begründung: „Um die große materielle Not von Offizieren, Unteroffizieren, Mannschaften und zivilem Personal“ zu lindern.“ Doch jetzt ist wohl alles futsch: die Hosen weg, die Kasernen größtenteils geplündert, das Militär so gut wie aufgelöst. Die Kampfflugzeuge fielen in die Hände von Rebellen. Ob mitsamt Triebwerken, wußte Klaus Rose, Staatssekretär beim Bundesverteidigungsministerium, bei einer parlamentarischen Anfrage Mitte März noch nicht zu sagen. Dabei hatte alles so schön angefangen. „In den achtziger Jahren bereiteten die Besuche von Franz Josef Strauß für eine Öffnung das Terrain“, schreibt die Bundeswehr-Zeitschrift Informationen für die Truppe (IFDT). Nach der Auflösung des Ostblocks wandte sich der neue albanische Verteidigungsminister also gleich an seinen damaligen deutschen Amtskollegen Gerhard Stoltenberg und bat um deutsche Amtshilfe. Die maoistisch geprägte Volkskriegsarmee „mit ihren Mini-Einheiten von 5 bis 16 Mann“ und ihrem „steinzeitlichen System von 800.000 Ein- Mann-Bunkern“ (IFDT) müsse völlig umgekrempelt werden. Albanien habe vor allen anderen exkommunistischen Staaten ein Anrecht auf die Nato-Mitgliedschaft, weil es bereits 1961 mit den Sowjets gebrochen habe, insistierte auch Präsident Sali Berisha seit seiner Wahl im April 1992. Lohn des Drängelns: Albanien wurde Mitte 1992 in den Nato-Kooperationsrat aufgenommen, im November 1995 wurde die neue deutsch-albanische Militärfreundschaft mit einer bilateralen Vereinbarung besiegelt.

Die Offiziersschule des Heeres in Hannover übernahm die Aufgabe, die albanische Militärakademie bundeswehrkompatibel zu machen. Seit 1995 durchliefen die neuen albanischen Kadetten die Kopie einer Bundeswehrausbildung, und hierzulande wurden hohe albanische Militärs auf Kurs getrimmt. „Immer wieder wurde deutlich“, schrieb die Bundeswehr-Zeitschrift IFDT 1996, „daß es der albanischen Seite vor allem darum geht, deutsches Führungsdenken und deutsche Führungsverfahren zu übernehmen sowie die feste Einbindung der Streitkräfte in einem demokratischen Staat unter dem Primat der Politik zu erreichen“. Der Erfolg blieb nicht aus: Kaum hatten die Rebellen das Primat der Politik neu interpretiert, löste sich die im deutschen Führungsdenken geschulte Armee in nichts auf.

Gibt es noch ein funktionierendes Oberkommando? Gehorchende Einheiten? Intakte Kasernen? Wohin werden die 35 albanischen Soldaten gehen, die in der Bundeswehr ausgebildet wurden, in deutschen SFOR-Einheiten in Bosnien unter deutschem Oberkommando dienten und vorgestern mit einem Hilfsgüterflug der Bundeswehr nach Tirana zurückkehrten? Ein Sprecher der Hardthöhe erklärte sich gestern außerstande, diese Fragen zu beantworten: „Das ist im Moment ein bißchen undurchsichtig.“ Ute Scheub