■ Vorschlag
: Urbaner türkischer Folkpop: Yeni Türkü in der Universal Hall

Wenn es in der Türkei jemals so etwas wie eine studentische Alternativszene gegeben hat, dann kann Yeni Türkü mit gutem Recht als deren Stimme bezeichnet werden. Auch heute noch gehören ihre Songs in den großen türkischen Universitätsstädten zum festen Klanginventar linker Taschenbuchläden und studentischer Cafés, und in Istanbul säumen ihre Melodien im Sommer die alten Straßen Beyoglus, unverwechselbar typisch wie das Klingeln der herannahenden altertümlichen Straßenbahn.

Vor fast zwanzig Jahren in Ankara gegründet, orientierte sich die heute in Istanbul ansässige Gruppe um Derya Köroglu und Selim Atakan zunächst an amerikanischen Folkrock-Vorbildern, um dann zu einem individuellen Stil zu finden, in den zunehmend mediterrane und türkische Farben einflossen. Im Zentrum stand von Anfang an das klassische westliche Band-Setting mit Keyboards, Gitarre, Schlagzeug und Baß, traditionelle orientalische Instrumente wie kemence, tambur und kanun kamen erst später dazu.

„Yeni Türkü“ heißt „neue Ballade“ oder „neues Volkslied“, und der Name ist Programm: gefühlvoller urbaner Folkpop alla turca, mit stark mediterranem Einschlag. Schon „Akdeniz, Akdeniz“, ihr zweites Album, barg nicht nur im Titel eine Reverenz an das Mittelmeer, sondern auch hörbare Flamenco-Spuren in der Musik. Heute suchen Yeni Türkü die kosmopolitische Geste vor allem im nostalgischen Rückgriff auf die alte Rebetiko-Musik der einst aus Kleinasien emigrierten Griechen und schlagen so beiläufig eine freundschaftliche Brücke über die Ägäis. Politische Botschaften fließen bei Yeni Türkü stets in subtile poetische Texte: Yeni Türkü vertonten Gedichte von Nazim Hikmet und Pablo Neruda oder ließen sich zuweilen ihre Liedzeilen von befreundeten Schriftstellern verfassen. Das plakative revolutionäre Pathos roter Fahnen war hingegen nie ihre Sache, eher schon strickten sie mit an der melodiösen Begleitmusik zur inneren Emigration während der „unpolitischen“ Özal-Jahre. Und mit dieser Kunst der sanften Verführung gelang es Yeni Türkü vor drei Jahren beim Heimatklänge-Picknick, auch ein nichttürkisches Publikum zu erwärmen. Daniel Bax

Am Freitag ab 20 Uhr in der Universal Hall, Gotzkowskystr. 22, Tiergarten