■ Mein erstes Aquarium. Eine Liebesgeschichte – mit Tips!
: Dünger, Kies und Schleimhautschutz

1. Nicht zu viele Fische. Als Faustregel gilt: ein Zentimeter Fisch pro Liter Wasser. Und wirklich nicht mehr. 1a. Nicht zuviel füttern. Fische brauchen immer viel weniger Futter, als man denkt, und können ganz problemlos auch mal ein paar Tage fasten. Zu viele Brösel verstopfen eh nur den Filter, pappen an den Pflanzen und machen das Wasser brühtrübe.

2. Nicht zu kleines Becken wählen. Ein größeres Aquarium (so ab einem Meter Länge) macht nicht nur einfach viel mehr her, es läßt sich darin auch das biologische Gleichgewicht leichter halten. Aber Vorsicht: So ein Becken wiegt gefüllt (mit Kies, Pumpe und einem kleinen Unterwasserurwald) leicht 300 Kilo. Also: sicherer Standort. Und Hausratversicherung.

3. Lieber einmal zuviel fragen. Welcher Fisch sich mit welchem eigentlich überhaupt verträgt und welche Pflanze dazu am hübschesten aussieht, welche Wassertemperatur das ganze Ensemble jetzt braucht und welchen Härtegrad – immer beraten lassen. Als Einstiegslektüre durchaus zu empfehlen: Klaus Wilkerling: „Die Aquarienfibel“, Franckh-Kosmos

4. Nicht zu komplizierte Fische. Ausgezeichnete Anfängerfische sind die unverwüstlichen Guppys, Platys, Neonsalmler und Zebrabärblinge. Schwarmfische sind auf jeden Fall besser als streitsüchtige Revierfische. Besonders blöde Kampffischmännchen halten Guppymännchen für Konkurrenten, was für Guppymännchen leider gar nicht schön ist. Klasse dagegen: Schwertträger. Die schwimmen rückwärts beim Balzen. Ansonsten sind Fische reine Modesache. Früher waren Barsche angesagt, jetzt Welse. (Helmut Kohl, hip wie immer, hat Silberfleck-Panzerwelse.)

5. Die Reinigung anderen überlassen. Z.B. der Siamesischen Rüsselbarbe, die jedes Algenvernichtungsmittel um Längen schlägt. 5a. Die Wartung anderen überlassen. Verstopfte Pumpen können doch Tüftlerfreunde reparieren.

Sabine! Auch so eines von diesen Geschenken, die so furchtbar originell sind, daß sich einem die Nackenhaare sträuben. Sabine war nie gewollt. Ebensowenig wie Helmut und Hannelore übrigens, ihre Vorgänger im Goldfischglas, die kurz hintereinander auf etwas überdramatisierte Weise in die ewigen Fischgründe eingingen; mal ganz ernsthaft: fünf Tage auf der Seite schwimmen – man kann's wirklich auch übertreiben.

Das mußte sogar die nette Dame zugeben, die sie damals angeschleppt hatte – ein so wahnsinnig süßes Geschenk, o-ri-gi-nell, wie ich bei Helmuts Beisetzung noch einmal bekräftigte, als wir in Marburg am Lahn-Ufer standen, in der Linken eine Kerze, in der Rechten das Teesieb mit der Leiche. Die Feier war kurz, die Trauer auch. Es war Sommer, und ich brauchte das Glas sowieso für Erdbeerbowle (24 Stunden in Stolichnaya ziehen lassen, dann halbe- halbe aufgießen). Als die Erdbeerzeit dann zu Ende war, kam die Dame doch wieder an mit einer Plastiktüte voll Wasser und Fisch. Ich stöhnte. Doch diesmal war alles ganz anders. Diesmal war es Sabine, die in ihrem Schwimmstil gleich an den entschlossenen Sex der frühen Sabine Kaak in „Diese Drombuschs“ erinnerte. Diesmal war es Liebe.

Liebe macht mutig. Ich ging in ein Aquarien-Fachgeschäft. Aquarien-Fachgeschäfte sind, wie man weiß, nur für uns Männer zugelassen.

Für Frauen sind sie tabu. Und zwar mit Fisch und Recht. Dort wirken nämlich Männer, die sich Aquarianer nennen und den ganzen Tag über Blau- und Schmieralgenbekämpfung und Umkehrosmose-Anlagen reden und sich erbittert über das beste Mittel gegen Ichthyophthirius-Befall streiten. Mit anderen Worten: Jungs.

Fische waren schon immer Jungensache. Kleine Jungs haben Elritzen in Einmachgläsern und beschmeißen Mädchen mit Froschlaich. Größere Jungs züchten Guppys und gucken zu, wie sie ihren Nachwuchs auffressen. Große Jungs kaufen sich für 15.000 Mark ein Maledivenriff-Aquarium mit allen Schikanen – wir reden hier über Intervallsteuerung für Ebbe und Flut, Quecksilberdampfleuchten und Hochleistungs-Eiweißabschäumer.

Das muß sich alles erst mal drei Monate lang „einlaufen“, bis man den ersten empfindlichen Tropenfisch für 260 Mark reinsetzen und dann wenige Stunden später kieloben wieder rausangeln kann. Aus Frust wird man dann Bundeskanzler oder Bundestrainer: Helmut Kohl und Berti, Berti Vogts (schallalla...) sind Stolz und Zierde der deutschen Aquaristik. Fische sind, weiß Gott, für viel Elend in diesem Lande verantwortlich.

Egal. Sabine. Sabine sollte es gut haben bei mir, für meine Sabine war mir nichts zu teuer. Ich ging zu Herrn Feldmann. Herr Feldmann und ich lachten herzlich über die Anfängerbecken (60 x 30 x 30), im Sonderangebot inklusive Beleuchtung, Filter und Heizung für lediglich 159 Mark. Schnickschnack. Bei Sabine muß nicht geheizt werden, sie ist ein cooler Kaltwasserfisch. Und sie wünscht nicht beleuchtet zu werden. Eine Force-1-Durchlüfterpumpe, ein Rückschlagventil, ein Bodenfilter, ein Sack Kies, das muß reichen. Sabine und ich, wir lieben nun mal das Minimalistische. Oder doch ein paar Pflanzen? Was nimmt man denn da, Herr Feldmann? Je nach Phantasie, sagt Herr Feldmann. Das ist wie Bildermalen, man kann es, oder man kann es nicht.

Wir malen, genau. Ich kann es so einigermaßen und kaufe zwei Portionen Amazonas-Schwertpflanze. Sabine macht sich nicht viel aus Grünzeug und ich auch nicht. Aber die bezaubernden Mini-Amphoren und Säulenfragmente für den Aquarienboden, Zeugnisse längst untergegangener Kulturen? Die künstliche Grotte? Die kleine Schatztruhe wie in dem Film „Ein Fisch namens Wanda“? Die Fototapete mit geschmackvollen Gesteinsformationen für die Beckenrückwand? Entscheidungen, Entscheidungen... Ich müsse aber das Wasser überwachen, bedeutete mir Herr Feldmann. Mit einem Testset für die Gesamthärte. Karbonathärte. pH-Werte. Ammoniak. Nitrite. Wasseraufbereiter brauche ich auch. Und Düngetabletten für die Pflanzen. Und natürlich Schleimhautschutz für die Fische. Ich nickte. Und ging.

Mein Leben ist lauter geworden mit Sabine. Die Pumpe klingt wie ein ferner Rasenmäher (wenn man sie auf einen Martha- Grimes-Roman stellt wie dieser Werbefernseh-Rasierapparat mit der Doppelt-zart-Garantie), der Filter dagegen klingt wie ein ständig laufender Wasserhahn, was einem das prickelnde Gefühl völlig sinnloser, umweltpolitisch unkorrekter Verschwendung gibt. Freunde müssen seit diesem Geräusch öfter zur Toilette, wenn sie mich aufsuchen. Sabines Filter animiert sie. Mein Leben ist aber auch schöner geworden mit Sabine. Die Pumpe pumpt, der Filter filtert, mein Blutdruck ist gesunken.

Ich lese Das Aquarium, wo mein neuer Freund Harald W. Behr von seiner Wirbellosen-Anlage schwärmt (“Täglich gebe ich 5 ml Spurenelemente, jeden 3.Tag 4 ml Strontiumchlorid-Lösung und alle zwei Wochen 2 ml einer Kaliumiodid-Lösung dem Aquariumwasser zu“). In der Novemberausgabe fand ich ein Gedicht über den Keilfleck-Bärbling. Ich habe geweint. In der Septemberausgabe stand ein Bericht über den Panzerwels Corydoras haraldsschultzi. Ich habe mich für Harald Schultze gefreut. Einmal in der Woche gehe ich mit Sabine schwimmen. Sie hat sich an „Nivea- for-men“ gewöhnt. Ich mich an 18 Grad Wassertemperatur. Wir lieben uns. Frank M. Ziegler