„Wir stehen ein für Deutschland ...“

■ Neue braune Drohungen gegen Treptower Schülerzeitung „Die Unbunte“. Eine „Nationale Gruppe“ droht: „Die nächste Ausgabe der Zeitung wird eure schwerste!“

Am Eingang finden Sicherheitskontrollen statt. Junge Männer in Bomberjacken werden gründlicher abgetastet. Richtig professionell, auch die Beine runter, wie bei einer Demonstration. Doch die Leute, die hier für Sicherheit sorgen, sind keine Polizisten, sondern Schüler. Und die Veranstaltung ist keine politische. Hier im Veranstaltungszentrum „Come In“ feiert die Treptower Archenhold-Oberschule eine Schulparty. Sicherheitskontrollen seien dabei nichts Ungewöhnliches, meint einer der Veranstalter. Heute aber wird besonders sorgfältig gecheckt, und draußen läßt sich ab und zu ein Streifenwagen blicken: Die Schülerzeitung Die Unbunte liegt am Eingang aus, einige ihrer RedakteurInnen sind an der Organisation der Party beteiligt. Die Unbunte wird von selbsternannten Kämpfern für rechte Ordnung bedroht. Drei Tage vor der Party flatterte ein Pamphlet ins Schulhaus, unterzeichnet mit „Nationale Gruppe Berlin“. Die Unbunte stehe „unterschwellig für Hausbesetzung, Ausländerflut und Hetze gegen das deutsche Bewußtsein“, schreiben die unbekannten Rechtsradikalen. Und weiter: „Wir stehen ein für Deutschland und überlassen den linken Chaoten nicht die Möglichkeit, die Zukunft unseres Landes, die Jugend, derartig zu beeinflussen. Die nächste Ausgabe, wenn sie denn erscheint, wird eure schwerste!“

Bereits Ende Fewbruar hatte ein „Autonomer Freundeskreis Deutsche Kultur“ drei Anzeigenkunden der Schülerzeitung, die alle zwei Monate an sechs Treptower Schulen erscheint und auch öffentlich ausliegt, in anonymen Briefen bedroht. Im „Interesse Ihrer eigenen Sicherheit“ sollten sie die Unterstützung der Unbunten einstellen, die für „deutschfeindliche Tendenzen“ stehe. Die Inserenten haben Anzeige wegen Nötigung erstattet. Und auch die Redaktion hat sich nicht einschüchtern lassen. Die Jugendlichen informierten die Presse und erstatteten Anzeige beim Landeskriminalamt. Mehrere Zeitungen, darunter die taz, berichteten. Der neuen Ausgabe der Unbunten liegt eine Erklärung „in eigener Sache“ bei: „Wir leben in einer Demokratie“, proklamieren die jungen Blattmacher, „und das bedeutet, miteinander zu diskutieren, zu streiten, aber einander zu tolerieren und nicht mit Gewalt zu drohen und dabei noch anonym zu bleiben!“

Ebenso wie der „Autonome Freundeskreis Deutsche Kultur“ ist die „Nationale Gruppe“, die sich einen Wurfstern mit den Initialen „N.G.“ zum Logo erkoren hat, bislang nirgendwo in Erscheinung getreten. Sowohl die Redaktion als auch das Landeskriminalamt vermuten, daß die Täter im schulischen Umfeld der Unbunten zu suchen sind. Der Stil des letzten anonymen Briefes weist jedenfalls darauf hin, daß seine Verfasser keine rechtsradikalen Routiniers sind. Doch die Schüler möchten nicht vorschnell darauf schließen, daß es sich um harmlose Mitschüler handelt, die sich nach den ersten Drohungen als Trittbrettfahrer einen schlechten Scherz erlauben. Ein Beamter des Landeskriminalamtes soll die ganze Angelegenheit sogar als „Kindergeburtstag“ bezeichnet haben – vielleicht um zu beschwichtigen. Doch seit auf Schulpartys Sicherheitskontrollen durchgeführt werden, ist zu befürchten, daß auch Kindergeburtstage sich gewandelt haben könnten. Holger Wicht