Flanieren mit dem Auto

■ „Not your father's Jack Kerouac“: Der Beat generator wird 75 und erfährt das x-te Revival in Buch- und CD-Form

Und läuft und läuft und läuft... Als Francis Ford Coppola vor drei Jahren schauspielbegabte junge Amerikaner zum Vorsprechtermin für seine geplante Verfilmung von „On The Road“ lud, entsprach der Run auf die Buchhandlungen noch nicht im wünschenswerten Ausmaß der Kenntnis des Autorennamens – „Jack Karioke“, „Jack Krakatau“ oder „Jack Wieimmermanihnausspricht“ wurde verlangt. Inzwischen haben auch „Generation X“ und Beat generation zueinander gefunden, und Jack Kerouac, der heute 75 geworden wäre, widerfährt sein x-tes Revival. Seine gesammelten Werke sind im letzten Jahr in den USA wie in England in Taschenbuchausgaben erschienen, zeitgleich mit dem 625-Seiten-Sampler „The Portable Jack Kerouac“, einer Art young man's guide zur Beat poetry. Hierzulande geht es etwas langsamer, rollt aber an: Zur Leipziger Buchmesse kommen gleich drei Titel auf deutsch heraus.

„On The Road“ ist mobiles Schreiben, die amerikanische Variante des Flanierens mit dem Auto als „mechanischer Braut“ (McLuhan) dabei – quer durch den Bauch Amerikas, aber mehr am Rausch orientiert als am Erreichen eines Verkehrsziels. Es basierte auf dem relativen Wohlstand der Siegernation des Zweiten Weltkriegs, kehrte sich aber romantisch gegen dessen Vertretervorstadtträume. „Das waren Schnappschüsse, über die sich unsere Kinder wundern würden“, schrieb der aus Frankokanada stammende Kerouac über sein 1951 temporeich (3 Wochen!) auf Endlospapier getipptes, aber erst 1957 erschienenes Debüt, „nichts ahnend von der zerlumpten Verrücktheit unseres wirklichen Lebens, der sinnlosen Alptraumstraße“.

1.000mal gehört der Ton, aber er hat immer noch Sound. Es ist dieser am Jazz geschulte Asphalt- Existentialismus, der heute, wo das Prosperieren sich für die meisten der Nachgeborenen von selbst erledigt hat, wieder recyclingfähig wird, und er kommt – Slam poetry! – nicht zuletzt als gesprochenes Wort. „This is not your father's Jack Kerouac“ kündigt sich eine Lese- Hommage an den Autor an, die dieser Tage auf dem Label Ryko Disc erscheint. „Kerouac – Kicks Joy Darkness“ interpretiert das „Beat“ in „Beat generation“ in alter Bluesmanier nicht als Derivat von „beatific“ (beglückend), sondern von seiner anderen, tragischen Seite her: Kerouac als Exponent einer geschlagenen Generation, der Urgeschlagene, fast ein früher Cobain – „dogged to death“, wie es im Pressetext heißt, von den Schatten seiner Zeit und seiner selbst.

Sie müssen sich geradezu darum gerissen habe, bei dieser Würdigung mitzumachen – die alten Co- Beatniks Burroughs, Ginsberg und Ferlinghetti, welcher einen unveröffentlichten Traum verliest; des weiteren Steven Tyler (Aerosmith), Patti Smith, John Cale, Michael Stipe, Warren Zevon, vor allem aber eben die Jüngeren: Pearl Jams Eddie Vedder (unvermeidlich), Sonic Youth' Lee Renaldo (dito), Juliana Hatfield, Anna Domino, Inger Lorre und Jeff Buckley. Sie alle haben sich ein Scherflein von Jack Kerouacs „transcendental brillance“ gegriffen (wie es im „Bowery Blues“ heißt) und teils musikalisch, teils rein vokal fürs Hier und Heute interpretiert, ein Geburtstagshallo, das Kerouac sicher gefreut hätte, hätte er sich nicht schon vor langer Zeit zu Tode getrunken. Mit dieser Vollversammlung von Hommageuren und Hommageusen im Ohr bleibt bloß die Frage, wer den armem Jack 1997 eigentlich nicht immer noch, schon wieder, gerade erst, trotz allem oder jetzt erst recht gut findet und wem dieser Autor logisch und in Zukunft so kurz nach seiner Wiederentdeckung überhaupt gehören soll.

Coppola bastelt immer noch an seiner „On The Road“-Verfilmung, Kerouac selbst hat in seinen Texten keine Antwort parat. Alles, was er sein wollte, heißt es im Poem „Skid Row Wine“, ist ein „dark solitary eye-nerve watcher of the world's whirling diamond“ – ein dunkler Einzelgänger, der den wirbelnden Diamanten Welt aus dem bloßgelegten Sehnerv heraus beobachtet. Thomas Groß