Wo man den Scheck noch nicht kennt

■ Die GUS-Staaten tagten zur Rechtsreform für die Markt-wirtschaft / Der Bremer Prof. Rolf Knieper brachte sie zusammen

Im Haus Schütting der Bremer Handelskammer: Herr Amarsanaa, Justizminister der Mongolei, berichtet vom neuen Wohnungsfondrecht, vom Wertpapierrecht und Konkursrecht in seinem Land – fünfzig Gesetzentwürfe habe man dem Parlament seit 1996 vorgelegt, auf dem Weg zum ersten Zivilgesetzbuch der Mongolei. Die Konferenz zur Rechtsreform in den GUS- und NUS-Staaten döst im Mittagsschlaf.

Hellwach scheint im Haus der Handelskammer vor den Wandteppichen eines einstmals prosperierenden Bremer Wirtschaftslebens nur der Tagungsleiter. Heiter moderiert Rolf Knieper nach der um anderthalb Stunden überzogenen Mittagspause die Zehn-Minuten-Beiträge seiner RednerInnen aus Kirgisien, Rußland und Moldawien an und ab. Der Bremer Professor für Bürgerliches und Wirtschaftsrecht, Initiator dieser ersten multilateralen Zwischenbilanz zum Thema „Rechtssicherheit in Osteuropa und Mittelasien“, kennt seine Gesprächspartner: Seit 1992 sitzt er mit den Ministern, Parlamentariern, Juristen aus den 13 SU-Nachfolgestaaten plus Mongolei zusammen und diskutiert darüber, wie sich eine wildwuchernde Marktwirtschaft privatrechtlich organisieren läßt; mit seiner Bremer Konferenz hat er erstmals alle gemeinsam an einen Tisch geholt.

Unterm Arm die europäischen BGB's war Rolf Knieper vor fünf Jahren als Abgesandter der „Deutschen Gesellschaft für technische Zusammenarbeit“(GTZ) nach Georgien gereist. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit nennt ihn „Berater mit einer nicht alltäglichen Qualifikation“. Was darunter zu verstehen sei? „ Die Schwierigkeiten eines Wirtschaftswissenschaftlers zu bewältigen, der in ein Land kommt, wo man den Scheck noch nicht kennt.“

Ansonsten besteht Rolf Kniepers besondere Qualifikation erst einmal in einem gewissen Standvermögen: „In Georgien habe ich bis '94 keine Nacht ohne Schießerei erlebt“, so der Professor lakonisch. Mit wem im Bürgerkrieg über das kommende Zivilrecht des Landes zu diskutieren sei, war allerdings eine Frage, die ihm keine weiteren Kopfschmerzen bereitet hat: „Die fünf Juristen, die Bescheid wissen, wären auch die Berater einer Regierung nach Shewardnadse gewesen.“

Über die Jahre ist Knieper in Rechtsdingen zum Positivisten geworden. Nationale Besonderheiten müssen berücksichtigt werden, entscheidend sind sie im Zeitalter kapitaler Globalisierung nicht.

Skeptisch beurteilt der Rechtsprofessor deshalb die Praktiken im eigenen Lager der „Geberländer“. Privatrechtsbera-tung in den GUS-Staaten ist ein knallhartes Geschäft; Consulting-Firmen aus Europa und Amerika überziehen als Abgesandte der Weltbank, der OECD, auf eigene Rechnung oder im Auftrag der deutschen GTZ die GUS-Länder mit ihren Beratern: „Jeder verkauft sein eigenes Management.“Von einer Vereinheitlichung des Rechtssystems sind die Länder oft meilenweit entfernt.

Bei aller Freude am produktiven Chaos setzt Rolf Knieper auf einen kontinuierlichen Informationsaustausch. Den will er mit seiner Bremer Tagung nun initiiert haben. Man wird den Professor auch künftig nur selten in Bremen hören: Die Uni hat ihn für fünf Jahre freigestellt, als GTZ-Berater „mit nicht alltäglicher Qualifikation“. fk