■ Deutsches Schmankerl
: Ein Tor zur Welt

Wann immer Fremde von München als einem Ort der Gastlichkeit reden, kommen sie über kurz oder lang auf das Hofbräuhaus zu sprechen. Das ist so. Und fast jeder Fremde, der ein paar Tage an der Isar weilt, geht irgendwann dorthin. Er tut dies in der Hoffnung, urtümliches Brauchtum vor Ort studieren und genießen zu können. Und er tut recht. Entgegen einem weitverbreiteten Irrtum ist das Hofbräuhaus keineswegs ein Hort dumpfer Abgestumpftheit oder krachlederner Bierseligkeit.

Wer in die „Schwemme“ oder in den Biergarten tritt, findet einen Ort vor, wo man sich – wie Meyer's Konversations-Lexikon schon 1883 zutreffend feststellte – „... um Stand und Würden des Nachbars nicht im geringsten bekümmert, mit dem sich rasch das gemüthlichste Gespräch anknüpft ...“

Was das Hofbräuhaus heute von dem vor hundert Jahren unterscheidet, ist das internationale Flair. In dieser Hinsicht kann es der gedrungene Bau am traditionsreichen „Platzl“ mitten in der Altstadt mit jedem New Yorker Schnellimbiß, jedem kalifornischen Dim-Sum-Restaurant und jeder venezianischen Pizzeria aufnehmen. Das beginnt bei der Bedienung, die meistens aus östlichen Ländern stammt, setzt sich fort bei der Kundschaft, die – getrieben von ethnologischem Interesse – aus allen Teilen der Welt herbeiströmt, und endet im Musikangebot, das bisweilen auch internationale Weisen in bayerisches Humptata umzusetzt.

Für die Münchner Bevölkerung ist das Hofbräuhaus ein Tor zur Welt und wird deswegen auch gern als ein maßgebliches Element der gelebten liberalitas bavariae gerühmt. Das Bayerische als solches ist bei aller begrüßenswerten Internationalisierung nicht verloren gegangen. Es wirkt über Architektur, über das Essen und – natürlich – über das Bier fort.

Zur Absicherung hat die Direktion des Hauses neben der Kapelle einen „Stammtisch“ installiert, an dem – so steht zu vermuten – bezahlte und besonders ausgestattete Vertreter des homo bavaricus ihren Schichtdienst mit Gamsbart und Lederhosen, Janker und Hirschhornknöpfen tun.

Diese von allen Seiten gut einzusehende Institution ermöglicht den Münchner Gastgebern, die auswärtige Freunde und Bekannte ins Hofbräuhaus führen, amüsante und erhellende Ausführungen über bayerisches Brauchtum. Für wissenschaftliche Gruppen hält die Direktion im ersten Stock Abend für Abend Seminare ab, auf denen im Aussterben begriffene Rituale wie Schuhplatteln, Goaßlschnalz'n und das legendäre Jodeln liebevoll von geschultem Personal dargeboten werden.

Entscheidend für das Kulturerlebnis Hofbräuhaus ist der kulinarische Zugang: G'selchts, Schweinshax'n, Weißwürscht, Beischerl, Knödel, Radi und Brez'n ermöglichen im Verein mit in Maßkrügen abgefülltem Bier das Herzstück dieser völkerverbindenen Institution. Spätestens hier wird der Besuch Münchens berühmtester Bierstube zum glückhaften Erlebnis auf höchst internationaler Ebene. So erfährt das bekannte Diktum Karl Valentins „Fremd ist der Fremde nur in der Fremde“ im Hofbräuhaus seine dialektische Aufhebung: Unter so vielen Fremden ist der Fremde – oans, zwoa g'suffa – pötzlich zu Hause. Thomas Pampuch