Erblast der Vergangenheit

■ Albanien: Mit Berisha kann es keine Lösung geben

Albanien wird von seiner Vergangenheit eingeholt. Ein halbes Jahrhundert lang war der stalinistisch regierte Staat von der Außenwelt völlig abgeschottet. Die Skipetaren hörten die italienischen Sender, um zu erfahren, was sich außerhalb der Grenzen ihres Landes ereignete. Nun ließ Präsident Berisha die Relaisstationen oberhalb von Tirana schließen, damit seine Untertanen nicht mehr über BBC und Voice of America in ihrer Muttersprache erfahren, was sich im eigenen Lande zuträgt. Um die Gefahr ausländischer Einmischung zu bannen, hatte der kommunistische Diktator Enver Hodscha übers ganze Land verstreut 700.000 Betonbunker bauen lassen. Nachfolger Berisha, früher Kommunist, spricht nun öffentlich von „ausländischen Agenten und früheren Kommunisten“, die die Sicherheit des Landes bedrohten.

Vorgestern ließ sich Berisha vom Parlament für weitere fünf Jahre in seinem Amt bestätigen. 85 Prozent der Sitze hat dort seine Demokratische Partei inne – dank offenem Wahlbetrug, wie die OSZE im vergangenen Mai attestierte. Der Westen protestierte damals ein bißchen und arrangierte sich dann mit dem Betrüger. Tirana ist schließlich nicht Belgrad. So schlägt nun auch die jüngste Vergangenheit zurück. Das Legitimationsdefizit des Regimes erschwert jede politische Lösung.

Eine solche setzt voraus, daß Berisha abdankt und eine Regierung von parteiunabhängigen Experten bestellt wird. Anders ist die Versöhnung nicht mehr zu haben. Und die ist die Voraussetzung für eine Stabilisierung des Landes, die der wirtschaftlichen Abstützung bedarf. Denn das Land hat sich von dem Kollaps von 1991 nicht erholt. Die industrielle Produktion liegt knapp über null. Die Landwirtschaft kann das Volk nicht ernähren. Die Scheinblüte, die Berisha als Wirtschaftswunder ausgibt, ist vornehmlich den Geldern der Emigranten sowie den Waffenschiebern, Drogendealern und Geldwäschern geschuldet. Die illegale Wirtschaft aber nährt mafiöse Strukturen und zerfrißt jeden demokratischen Ansatz. Ohne eine massive und nachhaltige Wirtschaftshilfe, am besten im Rahmen eines „Marshallplanes“ für den Balkan, hat die Demokratie in Albanien keine Chance und wird Südosteuropa nicht zur Ruhe kommen. Aber da ist vielleicht Maastricht vor. Thomas Schmid

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