Hellas' Grenzer in Alarmbereitschaft

■ Die griechische Regierung ist auf eine Massenflucht aus dem Nachbarland vorbereitet und könnte die Grenzen zumachen

Daß Griechenland zusammen mit Italien am nachdrücklichsten eine „europäische Antwort“ auf die Krise in Albanien fordert, macht ein Blick auf die Landkarte verständlich. Angesichts einer über 200 Kilometer langen griechisch-albanischen Landgrenze muß man sich in Athen auf eine Massenflucht aus dem Nachbarland im Norden vorbereiten.

Seit zwei Wochen sind die griechische Armee und die Gendarmerie in der Provinz Epirus in Alarmbereitschaft. Die Pläne, die eine strenge Abriegelung der unwegsamen Grenzregion vorsehen, liegen schon seit Jahren in der Schublade. Daß darin auch Auffanglager in der Umgebung der epirotischen Hauptstadt Ioannina vorgesehen sind, läßt erkennen, daß man eine vollständige Abriegelung für unmöglich hält. Zudem muß man mit einer erneuten Emigrationswelle von Griechen aus Südalbanien rechnen.

Fast jede Familie der ethnischen Minderheit, auf griechisch „Nordepiroten“ genannt, hat ein Mitglied, das in Griechenland Geld verdient oder bereits dauerhaft ausgewandert ist. Die Zentren des südalbanischen Aufstands sind außer Vlorä die Städte Gjirokastär, Saranta und Chimara, in denen eine substantielle griechische Minderheit wohnt. Spätestens wenn es in Südalbanien zu einen Bürgerkrieg kommen sollte, würden alle in Griechenland wohnenden Nordepiroten versuchen, ihre Familien über die Grenze zu holen.

Die griechische Armee muß sich also auf die Aufgabe vorbereiten, die griechischen Flüchtlinge von den albanischen zu „trennen“. Das wird nicht einfach sein, denn nichts ist heute in Albanien begehrter als ein Paß mit griechischem Namen oder mit einem Einreisevisum des griechischen Generalkonsulats in Gjirokastär.

Eine neue Emigrationswelle aus Albanien dürfte es auch unmöglich machen, die heute in Griechenland lebenden albanischen Wanderarbeiter zu „legalisieren“, wie es ein Gesetztentwurf vorsieht. Viele dieser Arbeiter haben ihr Geld ebenfalls in die zusammengebrochenen Pseudobanken gesteckt, die ihr „Filialnetz“ bis ins Zentrum von Athen ausgedehnt hatten. Für illegale albanische Arbeiter war dies oftmals der leichteste Weg, um die sauer verdienten Drachmen an ihre in Albanien lebenden Familien zu transferieren. Mit dem Verlust ihrer Ersparnisse sind diese Wanderarbeiter vollends auf den schwarzen Arbeitsmarkt in Athen, in Kreta oder auf dem Peleponnes angewiesen. Niels Kadritzke