■ Die erste Etappe des beispiellosen Castor-Transports durch Deutschland ist zu Ende. Die Atommüllbehälter werden am Montag ins Wendland weiterbefördert. Atomgegner waren nicht ganz hilflos gegen die staatliche Machtdemonstration
: Sechs Kolo

Die erste Etappe des beispiellosen Castor-Transports durch Deutschland ist zu Ende. Die Atommüllbehälter werden am Montag ins Wendland weiterbefördert. Atomgegner waren nicht ganz hilflos gegen die staatliche Machtdemonstration

Sechs Kolosse in Walheim

Immer wieder kleine Scharmützel. Hier mal ein paar, die von der Straße getragen werden, dort ein paar, die eine doppelte Polizeikette beiseite schiebt. Dann ein paar, die Holz auf die Straße werfen, und ein älterer Herr mit Krawatte, der zwei Spieße, jeder etwa zwei Meter lang, auf die Straße wirft und kurz darauf von einer hübschen, seltsamerweise unbehelmten Polizistin zu Fall gebracht und mit einem Plastikriemen gefesselt wird.

Szenen eines Atommülltransports. Der Konvoi mit den drei Castor-Behältern rollt über die Straßen aus dem AKW Neckarwestheim zum nahegelegenen Walheim. Hier werden die Castoren mit jenem aus Gundremmingen und den zwei aus der französischen WAA La Hague zum Zug nach Dannenberg gekoppelt.

Den längsten Halt hat der Konvoi hinter dem Örtchen Kirchheim. Sechs Leute sitzen auf der Straße, eigentlich kein Problem für die Polizisten. Die haben nachts um 4.30 Uhr schon ein Camp nahe beim AKW geräumt: 150 Fälle von vorübergehendem Gewahrsam. Später, kurz bevor die drei mit Eisengitter gesicherten Transporter das Kraftwerk verlassen, nehmen die Polizisten wieder 50 Leute in Gewahrsam. Die Schmierseife, die Demonstranten direkt an der Ausfahrt aus dem Atomkraftwerk auf die Straße schmierten, bringt den Transport keine Sekunde in Verzug. Nun hat der Konvoi die schmale Brücke über den Neckar passiert, ist durch Kirchheim gerollt, und plötzlich sitzen da sechs Mädchen und Jungs mitten auf der Straße. Sie können nicht so einfach weggetragen werden. In ihrer Mitte liegen zwei gelbe Fässer, voll mit Beton. Im Beton sind Öffnungen, da greifen sie rein, den Polizisten sagen sie, sie seien angekettet. Nachprüfen kann es keiner – eine Stunde Aufenthalt. Die sechs mit den zwei Fässern werden mühsam zur Seite getragen, sie springen dann einfach auf und rennen weg, als die Fahrzeuge anrollen. Ihrem Verzögerungseffekt zollt auch die Polizei Anerkennung: „Der Trick mit den Fässern war neu für uns.“

Der Castor-Konvoi ist lang: Voran fährt ein Panzerwagen, dann kommen drei gelbe Fahrzeuge mit Schiebern und Bürsten. „Straßenbauamt Besigheim“ steht drauf, am Steuer sitzen aber Polizisten. Dann ein weißer Bus, noch ein Panzerwagen, ein voller Mannschaftsbus, ein leerer, ein voller, dann die Wasserwerferfahrzeuge, zwei Stück. Es folgen die Pferde: 15 Polizistinnen und Polizisten hoch zu Roß. Dann ein Kranwagen, fünf Busse, wieder zehn Pferde mit Uniformträgern drauf, zwei große Busse, ein Sanitätsfahrzeug. Um die drei Castor-Fahrzeuge mit der Aufschrift „Achtung, Fahrzeug schwenkt aus!“ herum laufen Polizisten zu Fuß. Sie haben Helme in der Hand, tragen ein Schild und sind mit der neuen Generation Schlagstöcke ausgerüstet, den kurzen aus Gummi.

2.000 Polizisten sind am Freitag morgen im Einsatz, macht etwa zweieinhalb pro Demonstrant. 50 Meter links und rechts von der Straße durfte sich niemand aufhalten, auf der Straße herrschte Versammlungsverbot. Die vier Klohäuschen, die die Firma Adco-Dixi aus Remseck am Neckar entlang der Strecke in Eigenregie aufgestellt hat, werden nicht benutzt. Die sind eine Art „Product-Placement“, bestätigt der Dixi-Geschäftsführer. Schließlich werde da ja gefilmt. Um 10.55 Uhr ist der Konvoi auf dem Gelände des Kohlekraftwerks, die Tore schließen, die Polizisten, die Helme aufhatten, setzen sie ab, und alle Kameras hören plötzlich auf zu filmen. Nur die der Polizei, aus mehreren Fahrzeugen raus und von Beamten zu Fuß eingesetzt, laufen noch, bis die letzten Demonstranten weg sind.

Der Leitende Polizeidirektor Klaus Schmerling antwortet auf die Frage, ob die Staatsmacht nicht überdimensioniert angetreten sei: „Hinterher ist man schlauer.“ Es sei ein „positiver Einsatz“ gewesen, das mit den Fässern vielleicht ein bißchen peinlich. Aber der Umgang mit den Demonstranten habe doch geklappt: „Wir können auch morgen noch miteinander reden.“ Immerhin: „Kein Schlagstockeinsatz, kein Wasserwerfereinsatz, die Reserven mußten nicht eingesetzt werden, die Deeskalation hat funktioniert.“ Der Einsatz hat drei Stunden gedauert, etwas länger als geplant. Christian Litz, Neckarwestheim