Naturkost für Genuß ohne Reue

Heute wird in Frankfurt die BioFach 97 eröffnet, die weltweit größte Messe für Naturkost. Parallel gibt's den Kongreß „Bio-Rohstoff Hanf“  ■ Von K.-P. Klingelschmitt

Frankfurt/Main (taz) – Wenn heute auf dem Messegelände in Frankfurt die BioFach 97 ihre Tore öffnet, werden sich die „Ladner“ (Bioladenbetreiber), die Vertreter der diversen Verbände und wohl auch die Anbieter aus (fast) aller Welt, die Genuß nicht zu den sieben Todsünden der Menschheit rechnen, zunächst auf das Eröffnungsbuffet stürzen.

Denn erstmals werden europäische Spitzenköche der Vereinigung „Eurotoques“ – Toque heißt in Frankreich die weiße Kochmütze – demonstrieren, wie schmackhaft Gerichte sein können, die mit Ingredienzen aus dem ökologischen Landbau zubereitet werden.

Die Zeiten, in denen Menschen, die sich ökologisch bewußt ernähren wollten, auf Körnern und Sprossen heraumkauen und sich – wegen der Beschaffungsprobleme – die Küche mit Getreidedepots vollhängen mußten, die aussahen wie Sandsäcke für Boxer, sind offenbar endgültig vorbei. Genuß ohne Reue ist angesagt.

Die Restaurants mit direktem Zugriff auf frische Ökoprodukte, wie etwa der Gourmettempel im Hofgut Mechthildshausen bei Wiesbaden, boomen wie kein anderer Sektor der Gastronomiebranche. Und die immer größer werdende Gemeinde der Genießer ist auch bereit, für ein Filetsteak von einem deutschen Bullen aus der dritten Hofgeneration, der auf saftigen Wiesen täglichen Auslauf hatte, mehr Geld auf den Tisch zu legen.

Auch die Ökoläden, die sich auf die neuen Käuferschichten eingestellt haben, und – neben den klassischen Ökoprodukten – auch kostbare Olivenöle oder Spitzenweine aus ökologischem Anbau anbieten, sind für die Genießer, die es verstehen, mit dem Kochlöffel umzugehen, erste Einkaufsadresse geworden.

Wer etwa am Sonnabend im Hofgut Mechthildshausen köstlichen Käse, Gemüse aus ökologischem Anbau oder Fleisch und Wurst von artgerecht gehaltenen Schweinen und Rindern kaufen will, muß eine Stunde an Wartezeit einkalkulieren, bis er tief in die Tasche greifen darf. Die BioFach 97 trägt diesem Trend voll Rechnung. Das „größte zusammenhängende Angebot weltweit“ in den sechs Marktsegmenten der Branche wird in Frankfurt zu sehen sein: Naturkost, Weine aus ökologischem Anbau, Textilien und Leder, Haushalts- und Büroartikel, Geschenkartikel und ökologische Einrichtungen.

Die alltäglichen Nachrichten über BSE, die Schweinepest und die Traberkrankheit bei Schafen und über die Belastung von konventionell angebauten Salaten und Gemüsen mit Schadstoffen, treiben immer mehr Menschen in die Bioläden und die entsprechenden Restaurants. In einer Studie des Marktforschungsunternehmens Frost & Sullivan heißt es, daß der Markt etwa für Fleisch- und Milchprodukte aus bilogischer Herstellung bis zum Jahr 2002 – im Vergleich zu heute – um 190 Prozent wachsen werde.

Das weiß auch die übermächtige Konkurrenz von den großen Handelsketten. REWE, Metro und andere bieten bereits „Naturkost“ unter phantasievollen eigenen Markennamen an. Doch die danach von den Ladnern befürchteten Umsatzeinbrüche blieben aus. Im Gegenteil: Das seit Jahren kontinuierliche Umsatzwachstum in der gesamten Branche blieb ungebrochen, während die großen Handelsketten Umsatzeinbußen zu verzeichnen hatten.

Und die Branche wird weiter boomen, denn die Umweltkatastrophen der Zukunft, heißt es unverschlüsselt im BioFach-Magazin, seien schon vorprogrammiert und würden für eine „wachsende Sensibilisierung der Verbraucher“ sorgen.

So begünstige die Angst der Menschen vor gentechnologisch hergestellten Lebensmitteln schon heute den Bio-Anbau etwa von Soja. Denn schließlich seien gerade Vegetarier auf Sojaprodukte (Tofu) angewiesen.

Die „Ökos“ kommen also auf breiter Front raus aus der Nische. Doch offenbar müssen noch immer einige Ladner, die ihren Kunden neben den guten Naturkostwaren auch gern noch ein bißchen (fundamentale) Ideologie oder Esoterik mit in die braunen Tüten aus Recyclingpapier packen wollen, erst lernen, sich auf die modernen Zeiten einzustellen. Die „Eurotoques“ jedenfalls bieten den Betreibern von Naturkostläden auf der BioFach 97 von Freitag bis Sonntag „Geschmackstests“ an. Und die internationale Vereinigung für die Olivenölkultur (micro) lädt zur Degustation von Olivenölen, bei der die verschiedenen Geschmacksrichtungen und Anwendungsmöglichkeiten vermittelt werden sollen.

Und die schönen Frauen im kleinen Schwarzen, die an den gediegenen Messeständen vor allem italienischer und französischer Anbieter von exzellenten Rotweinen aus ökologischem Anbau oder von Naturkosmetik vertragsabschlußförderlich lächelten und dann knallhart verhandelten, würde man(n) gern auch einmal hinter der Theke eines deutschen Naturkostladens sehen.

In den Genuß der Genüsse auf der BioFach 97 mit ihren über 1.000 Ausstellern aus 48 Ländern, kommen allerdings nur Fachbesucher, denn die BioFach ist keine Publikumsmesse. Integriert in die Messe ist der Fachkongreß „Bio- Rohstoff Hanf“, veranstaltet vom nova-Institut in Köln. Kein Smoke-in in den heiligen Messehallen, sondern ein wissenschaftliches Kolloquium, zu dem mehr als 60 Hanfexperten aus aller Welt erwartet werden.

Es geht um die Entwicklung neuer Produkte (aus Hanf), um die Forschung und um Investitionsmöglichkeiten. Auf der BioFach bieten einige Hersteller parallel zum Kongreß ihre Hanfprodukte an. Etwa die unkaputtbare Hanfkrawatte. Oder Baseballmützen aus Hanf für die „Berlin Hänflinge“ um Coach Matthias Bröckers.