Berufsschülerinnen

■ Die finnische Band Värttinä verbindet karelische Traditionals mit Popweisen

Wenn uns neue Musikproduktionen aus Finnland erreichen, werden diese mit längst ausgelatschten Vergleichen garniert. Dann müssen zum einen die verschnarchten Leningrad Cowboys herhalten, und es wird dezidiert über den Alkoholkonsum der beteiligten Musiker berichtet, oder die Selbstmordrate der dortigen Bevölkerung wird zur Illustrierung eines trostlosen wie verschrobenen und damit exotischen Landstriches hinzugezogen. Musik einfach so, das geht offenbar nicht.

Dabei tut sich im Musikland Suomi schon seit Jahrzehnten Normales und damit Erstaunliches. Während im hohen Norden die samische Vokalkunst des Joikens gepflegt wird, lebt in der südöstlich gelegenen Region Karelien die finnougrische Tradition des mehrstimmig und versetzt vorgetragenen Liedgutes fort, mit deutlichen musikalischen Anleihen aus Osteuropa.

Seit alters her ist es dabei üblich, daß die Frauen den die Musik tragenden Gesang gestalten, wie überhaupt in der finnischen Folk- wie Popszene eine Frauenquote erreicht wird, die hierzulande schwer vorstellbar ist. Von den Großmüttern in die hohe Kunst des rhythmischen Singens eingewiesen, die sie auf der Fahrt zur Berufsschule nach und nach vervollkommnen, suchen sie sich anschließend ein paar Burschen, die für die geeignete Instrumentierung verantwortlich sind. So geschehen Mitte der 80er in dem Städtchen Rääkkylä, als die Schwestern Mari und Sari Kaasinen die Gruppe Värttinä gründeten und äußerst behutsam karelische Traditionals mit westlichen Pop-weisen mixten.

Der Erfolg von damals hat angehalten, mit wechselnden Besetzungen ist Värttinä nun seit zehn Jahren dabei. Bieten ihre ersten Platten noch flotten Tanzboden, bei dem man sich augenblicklich ein Röckchen überstreifen und Butterblumen ins Haar stecken möchte, haben Värttinä in der Zwischenzeit elektrisch nachgerüstet: Zur Fiedel gesellte sich die E-Gitarre, zur Kentele das Keyboard, zum Akkordeon der Drumcomputer. Entsprechend versammelt die Aktuelle CD Kokko elf artige bis hippelige Stücke, die so recht in die derzeitige Ethnopop-Landschaft passen.

Mag sein, daß mancher Song zu kalkuliert und damit zu artifiziell auf Kosten der värttinäischen Schroffheit daherkommt; geblieben ist jedoch als Fundament der kompliziert verschachtelte Gesang, dem sich die Begleitmusiker letztlich unterordnen, so daß auch live kein Platz für nervige Soloattitüden bleibt. Möglicherweise werden sie dabei lauthals von einem finnischen Holzimporteur samt Musterkoffer angefeuert. Oder ist das auch nur wieder ein skandinavisches Klischee? Frank Keil Fr, 28. Februar, 21 Uhr, Markthalle