■ München: Prozeß gegen einen serbischen Kriegsverbrecher
: Volk der Richter?

Es ist Zufall, aber einer jener Zufälle, die helfen können, nachzudenken. Einen Tag nach der Eröffnung der Ausstellung „Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht“ in München begann gestern in derselben Stadt das bundesweit erste Verfahren gegen einen mutmaßlichen Kriegsverbrecher auf dem Balkan. Nicht um die Verbrechen deutscher Soldaten im Zweiten Weltkrieg in Serbien geht es – die werden in der Ausstellung dokumentiert –, sondern um die Taten eines Serben gegen Bosnier, die nur wenige Jahre zurückliegen. Ein anderer Vernichtungskrieg wird da abgehandelt, und das ist richtig und notwendig. Fragwürdig freilich mag das an einem Ort (und zu einer Zeit) erscheinen, wo führende Politiker eben dieses Ortes lauthals und primitiv gegen die historische Aufarbeitung jenes vergangenen Vernichtungskrieges protestieren.

Man mag es trotz der historischen Kniffligkeit als eine Chance für die deutsche Justiz ansehen, daß sie zu einem Zeitpunkt, da deutsche Soldaten am Friedensprozeß in Exjugoslawien mitwirken, auch bei der juristischen Bewertung der dort verübten Kriegsverbrechen mitreden und entscheiden kann. Die deutsche Justiz hat – wie das deutsche Militär – aus alten Tagen rührend nicht den besten Ruf in der Welt. Völker vergessen langsam. Insofern ist der Prozeß gegen den mutmaßlichen serbischen Kriegsverbrecher Djajić, der dem Bayerischen Oberlandesgericht da in den Schoß gefallen ist, durchaus vergleichbar mit der internationalen demokratischen Bewährungsprobe, in der die deutschen Truppen in Exjugoslawien stehen. Niemand wird es der Welt verübeln, wenn sie da sehr genau hinschaut.

Sollte die Welt dieser Tage genauer nach München schauen, so wird sie, was die Reife der Deutschen angeht, um eine gewisse Ernüchterung nicht herumkommen. Denn neben den braven Richtern, die sich anschicken, einen (internationalen) Kriegsverbrecherprozeß mit Anstand zu führen, wird sie den (deutschen Juristen) Peter Gauweiler und eine von ihren letzten guten Geistern verlassene CSU erblicken. Die aber haben im Moment nichts Wichtigeres zu tun, als sich – im Verein mit Alt- und Neonazis – jedwede kritische Bewertung deutscher Kriegsverbrechen zu verbitten. Nichts gegen die Richter am Oberlandesgericht. Aber ein Land, in dem die eigenen Kriegsverbrechen – selbst nach 50 Jahren – von maßgeblichen Politikern nicht einmal wahrgenommen werden wollen, macht sich nicht gut als Richter über andere Kriegsverbrecher. Thomas Pampuch