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: Medienberichte über das "Judengold" wecken alte Ängste i Neuer Antisemitismus

Das Recht auf Privateigentum für jeden citoyen, eingeführt im Jahre 1791, ist eines der Grundprinzipien der Französischen Republik. Aus demselben Jahr stammt die Gleichberechtigung der Juden Frankreichs. Nach dem Gesetz waren die Juden damit citoyens wie alle anderen, aber die Integration hat die antisemitische Vorstellung von den Juden nicht auslöschen können: die Vorstellung von Wucherern, die zu jeder Niedertracht bereit sind, um sich zu bereichern und um ihre Herrschaft über das ganze Land auszubreiten. Daher rührt auch, daß die Juden immer wieder ihre Loyalität zu Frankreich unter Beweis stellen mußten. Im Laufe der Generationen arbeiteten immer weniger Juden mit Geld. Lediglich eine winzige Minderheit war im großen Geschäftsleben, in der Finanz und den Banken aktiv.

Frankreich war von seiner Niederlage vom Juni 1940 tief getroffen, als plötzlich die Repräsentanten seiner antisemitischsten Kräfte an die Macht gelangten. Sie waren überzeugt, daß die Juden die gesamte nationale Wirtschaft und die Macht kontrollierten, daß sie für das Unglück Frankreichs verantwortlich wären. Für die Regierung von Vichy war es eine Ehrensache, ihre antisemitische Politik selbst zu organisieren. Berlin hatte ihr das Monopol für die Arisierung gegeben: Sie plünderte jedes Mitglied der jüdischen Gemeinschaft aus und beschlagnahmte sämtliche Produktionsmittel: von Maschinen über Werkzeuge und Rohstoffe bis hin zu Nähnadeln und Glühbirnen.

Bei der Befreiung hat die aus der Résistance hervorgegangene Regierung nicht die nötigen politischen Entscheidungen über Reparationen gefällt. So konnte sich die Verschleierung der Verantwortung von Vichy durchsetzen. Das Nachkriegsfrankreich wollte vergessen. Als ob es sich kollektiv verantwortlich fühlte für die Verbrechen, die die Collaboration beging.

Die Juden, die zurückkamen, hatten vor allem den Wunsch, wieder zu leben, wieder zu arbeiten. Die bloße Tatsache, daß ihre Toten in Geld aufgerechnet wurden, war schon unerträglich. Aber niemand dachte in jenem Moment daran, geraubtes Geld und geraubte Güter zurückzufordern. Es gab auch nur wenige, die in der Lage gewesen wären, die materiellen Verluste aufzulisten. Ganze Familien waren vernichtet worden. Viele Waisen hatten keine Ahnung, was die Ihren besaßen.

Hinzu kam die Sorge der jüdischen Gemeinschaft vor einem neuerlichen Antisemitismus. Das ist auch heute so, wo die Medien auf gefährliche Art ausschließlich von dem Raub von Wohnungen, Goldbarren und Kunstwerken berichten, obwohl davon nicht einmal drei Prozent der ausgeraubten Personen betroffen waren. Die Medienlawine vom „Judengold“, die 50 Jahre nach den Ereignissen mitten in einer Phase schwerer wirtschaftlicher und sozialer Krise rollt, kann uns nur zu den Grundlagen des französischen Antisemitismus zurückbringen.

Es wäre für die große Mehrheit der Juden zufriedenstellend, wenn die französische Regierung das geraubte Geld dem Wissen, der Erziehung und der Übermittlung jenes Dramas, das die Juden erlitten haben, widmen würde. Damit so etwas nie wieder passieren kann. David Douvette

Der Autor ist Historiker und Mitglied mehrerer Vereinigungen von Verfolgten und ehemaligen Résistants. Er forscht seit Jahren über die Beraubung der Juden.