"Gauweiler hat unflätig polarisiert"

■ Der Münchner CSU-Parteichef Peter Gauweiler wetterte gegen Wehrmachtsausstellung. Parteifreunde gehen auf Abstand und fordern Rücktritt. Gauweiler mache "dümmlichen Versuch, die rechte Klientel anzuspr

München (taz) – Peter Gauweilers Polemik gegen die Wehrmachtsausstellung und rechtsradikale Äußerungen im gestern erschienenen „Bayernkurier“ werden von CSU-Parteifreunden scharf kritisiert. Gauweiler hatte erklärt, Reemtsma solle „lieber eine Ausstellung über die Toten und Verletzten machen, die der Tabak angerichtet hat“. Die taz sprach mit dem Münchner CSU-Stadtrat Sven Thanheiser.

taz: Wie viele Ihrer Kollegen in der Münchner CSU gehen inzwischen auf Distanz zu Gauweiler?

Sven Thanheiser: Es stören sich sehr viele in unserer Partei an Gauweilers Äußerungen. Aber diese Leute sagen das nicht laut und organisieren sich nicht, weil sie zu feige sind.

Befürchten Sie, daß die Ihre Partei Wählerstimmen verliert, wenn sie zu sehr auf die Meinung der Ewiggestrigen achtet?

Ich will klarmachen, daß wir eine sehr differenzierte Haltung zu der Ausstellung haben. Manche Inhalte müßte man nach meiner Auffassung durchaus korrigieren – aber trotzdem ist die Ausstellung notwendig. Denn das Thema ist wichtig und richtig: Wenn es solche Fotos gibt, muß man sie zeigen und mit der nötigen Differenzierung diskutieren. Und das hat unser Freund Gauweiler nicht getan, sondern hat wieder einmal in einer unflätigen Art polarisiert.

Wobei es in der CSU eine lange Tradition gibt, mit solchen Polarisierungen am rechten Rand des politischen Spektrums zu fischen.

Ich habe nichts dagegen, daß man da ein bißchen fischt, daß man zum Beispiel bei Themen wie Verbrechensbekämpfung eine harte Linie fährt. Aber bei diesem Thema ist uns mit Populismus nicht geholfen. Wir können es uns nicht leisten, hier die Schwerpunkte an den politischen Rändern zu setzen. Denn insgesamt gilt doch, daß Wahlen in der Mitte gewonnen werden müssen. Und wenn ich mir anschaue, daß die Wahlbeteiligung ständig sinkt und die CSU in München die Stimmen von nur mehr 17 Prozent aller Wähler bekommt, kann ich meinen Fokus doch nicht auf den rechten Rand richten.

Ihnen käme ein Rücktritt Gauweilers wohl ziemlich gelegen.

Ich würde eine Chance darin sehen, daß die Partei einen personellen und inhaltlichen Neuanfang macht.

Ihr Fraktionschef, der noch auf der Gauweiler-Linie liegt, plant eine Gegenveranstaltung zur offiziellen Eröffnung der Ausstellung. Einer Ihrer Parteifreunde hat schon angekündigt, zu diesem Spektakel nicht hinzugehen. Was werden Sie tun?

Ich werde dann fernbleiben, wenn die Äußerungen von Gauweiler nicht relativiert werden. Nach dem, was ich gehört habe, wird er sie nicht relativieren – also werde ich nicht erscheinen.

Im heutigen „Bayernkurier“ bezeichnet ein Redakteur die Nürnberger Prozesse als „Strafmaßnahmen gegen Deutschland“ und wirft den Ausstellungsmachern vor, sie würden „einen moralischen Vernichtungsfeldzug gegen das deutsche Volk führen“.

Da wollen wir hoffen, daß jetzt die Leute eingreifen, die in der CSU tatsächlich das Sagen haben. Solche Sätze sind, wie auch bei Gauweiler, ein dümmlicher Versuch, die rechte Klientel anzusprechen. Wenn so etwas in unserem Parteiorgan steht, ist das ein Trauerspiel. Interview: Felix Berth