Die Lässigen und die Stolzen

■ Spielt in einer knallbunten Kunstwelt: „William Shakespeare's Romeo & Julia“ von Baz Luhrmann (Wettbewerb)

Die Montagues, das sind die Lässigen. Sie tragen bunte, weite Hawaihemden, Drillichhosen, Bürstenschnitt oder Glatze mit eintätowiertem Namen der Gang. Zwei von ihnen fallen auf: Mercutio, weil er kein Weißer ist, und Romeo, der auch schon mal im Anzug von nächtlichen Streifzügen auftaucht, das weiße Hemd mit spitzem, langem Kragen weit offen.

Die Capulets sind die Stolzen. Eng anliegende, schwarze Kleidung, Cowboystiefel mit silbernen Absätzen, die schwarzen Haare von Pomade glänzend. Eine Kreuzung aus spanischem Caballero und mexikanischen Revolverhelden, die Pistolenhalfter eng um die Hüfte geschlungen. Madonnenbilder als Emblem auf den schwarzglänzenden Waffen.

Kinder reicher Leute, die in großen Schlitten durch die Gegend fahren und sich kleine Schießereien liefern: Wie bei der zufälligen Begegnung an der Tankstelle, die dann in Flammen aufgeht – Auftakt für „William Shakespeare's Romeo & Julia“, der selbstverständlich keinen klassischen Theaterfilm abgibt. Die Kamera rotiert ständig oder kreist wie die Polizeihubschrauber über der Stadt. Aus Shakespeares imginärem Verona ist Verona Beach geworden, ein Ort irgendwo im Südwesten Amerikas. Eine Metropole, aus deren Mitte eine riesige steinerne Jesusfigur hervorragt. Der Wind pfeift durch die Mauern eines Gebäudes, das in besseren Zeiten Globe Theatre hieß und vielleicht mal ein Kino gewesen ist. Schräg gegenüber befindet sich ein Imbiß mit dem hübschen Namen „Rosencrantzkys“.

Regisseur Baz Luhrmann spielt ironisch mit Versatzstücken aus der elisabethanischen wie der heutigen Zeit. Die Szenerie von Verona Beach ist surreal und hyperrealistisch zugleich, eine Kunstwelt, in der kein Detail zufällig wirkt, sondern entfremdet, überhöht, stilisiert. Das Stilgemisch betont den zeitlosen Charakter der Liebesgeschichte, die immer und überall stattfinden kann, bettet sie aber in ein ganz bestimmtes Milieu: katholisch, korrupt, kaputt. Je moderner das Outfit, desto archaischer wirken die ehernen Gesetze von law & order, family & money.

Die Geschichte von Romeo und Julia wird von einer farbigen Ansagerin wie eine Soap-opera im Fernsehen präsentiert, wo – und das ist überhaupt der Clou des ganzen Films – allerdings Original-Shakespeare gesprochen wird. Es heißt ja, amerikanische Schauspieler hätten vor nichts so viel Respekt wie vor dessen kunstvoller Sprache, die nur einem Briten so richtig klangvoll und formvollendet aus dem Herzen über die Lippen kommen darf. Falsche Scham, die meist jugendlichen Darsteller sprechen den Shakespeare ganz unbekümmert mit ihrem amerikanischen Akzent, und das ist ein ausgesprochen reizvoller Kontrast.

Romeo und Julia begegnen sich auf dem Maskenball von Julias Eltern: er ein Ritter, sie ein Engel. Die beiden, ohne Maske und ungeschminkt, verkörpern eine Reinheit (ohne störende Pubertätspickel) und Natürlichkeit (Claire Danes ist keineswegs besonders schön), die sie von ihrer Umgebung deutlich abhebt. Eltern und Freunde stecken im Korsett ihrer Kleidung ebenso fest wie im Denken eines überkommenen, fragwürdigen Ehrenkodex. Romeo und Julia setzen ihre ganze jugendliche Unbekümmertheit dagegen, so unbekümmert wie die Fische in dem Aquarium, durch dessen dicke Glaswände sie sich das erste Mal sehen.

Luhrmanns Film ist eine echte Teenage-opera, unglaublich romantisch und tragisch zugleich, unterstrichen von der Musik, die den Film stellenweise wie ein Musical erscheinen und seine Bilder grell explodieren läßt. Ausgesprochen sympathisch, und natürlich herzergreifend.

„William Shakespares's Romeo & Julia“. USA 1996, 120 Min., Regie: Baz Luhrmann. Mit Leonardo DiCaprio, Claire Danes u.a.

Heute: 22.45 Uhr Zoopalast; 22. 2.: 12 Uhr Royal Palast, 18.30 Uhr Urania, 22.30 Uhr International