Geldgieriger Richter ohne Unrechtsbewußtsein

■ Frankfurts OLG-Präsident Henrichs soll angeblich vom Amt suspendiert werden

Frankfurt/Main (taz) – „Eure Armut kotzt mich an.“ Der nicht nur bei Neureichen im Rhein- Main-Gebiet beliebte Autoaufkleber könnte auch das Auto von Horst Henrichs zieren. Der Mann kann schließlich mit den großen Hunden pissen gehen: Er ist Präsident des Oberlandesgerichts (OLG) in Frankfurt, darüber hinaus Treuhänder der Hypothekenbank in Frankfurt, temporär sogar Gutachter für die IG Metall.

Bis zu seiner Demission war er zudem Vorsitzender des Hessischen Staatsgerichtshofes: Horst Henrichs gilt in Hessen als Megaabkassierer. Der Jurist hat für eine für die IG Metall erstellte Expertise 1.360.000 Mark Honorar erhalten. Unrechtsbewußtsein plagte ihn dabei nicht. „Bedauerlicherweise nicht“, gab er Montag Roland Koch, Fraktionsvorsitzender der CDU im Wiesbadener Landtag, zur Antwort. Der hatte bei dieser Sitzung „Untersuchungsausschuß Henrichs“ gefragt, ob Henrichs schon früher Nebentätigkeiten mit Honoraren in siebenstelliger Höhe ausgeübt habe. Dabei huschte ein breites Grinsen über das Gesicht des als „Zeugen“ geladenen Millionärs.

Es herrscht eine absurde Atmosphäre im Verhandlungssaal 119 M des Landtags. Ein Millionär – Roland Koch betreibt zusammen mit seinem Vater Karlheinz Koch, dem früheren Justizminister unter CDU-Ministerpräsident Walter Wallmann, im Main-Taunus-Kreis eine lukrative Anwaltskanzlei – befragt einen anderen Millionär. Er will damit aber keineswegs den Präsidenten des OLG wegen der Honorarvergütung aus der IG Metall-Kasse diskreditieren. Auch geht es dem „Jungen Wilden“ aus der CDU-Nachwuchsriege nicht darum, dem Richter womöglich einen „Schaden für die Justiz“ (CDU) vorzuhalten. Koch und Parteifreunden geht es bei ihrer Zeugenbefragung im Ausschuß einzig darum, Beweise für eine Mitschuld des amtierenden grünen Justizministers Rupert von Plottnitz am „Skandal“ (CDU) um die Nebentätigkeiten von Henrichs zu sammeln: Hat der Justizminister des Richters Tun gebilligt?

Die Opposition bekommt es leichtgemacht. Die Obmänner der beiden Regierungsparteien SPD und Bündnisgrüne verzichteten auf ihr Fragerecht – und provozierten so den Verdacht der Kumpanei mit dem Zeugen. Armin Clauss, SPD-Fraktionsvorsitzender im hessischen Landtag, empörte sich zwar noch während der Landtagsdebatte über den Griff von Henrichs in die Kasse der IG Metall. Zugleich schien ihm die Bemerkung genug, um die Affäre auch zu den Akten zu legen: Den Regierungsparteien scheint es nur noch darum zu tun, den amtierenden Justizminister aus der Schußlinie der Union zu halten.

Den umstrittenen Richter möchten SPD und Grüne am liebsten ignorieren. Beim Richterdienstgericht in Frankfurt soll inzwischen ein Antrag aus dem Justizministerium vorliegen, in dem die Suspendierung von Henrichs vom Amt des OLG-Präsidenten gefordert wird. Kurz: Henrichs soll weg – schließlich finden in Hessen in knapp zwei Wochen Kommunalwahlen statt.

Immerhin bekam die Union durch die Befragung von Henrichs keine zusätzliche Wahlkampfmunition geliefert. Denn der Richter gab an, nur noch „einen Schatten von Erinnerung“ an die Zeit zu haben, als ihm aus dem Justizministerium telefonisch mitgeteilt wurde, daß sein Antrag auf Nebentätigkeit für die IG Metall genehmigt ist. Auf Roland Kochs Frage, wer ihm dieses Plazet gegeben habe, wußte Henrichs keine Antwort zu geben, obgleich er – wie er vor dem Ausschuß zugeben mußte – sehnsüchtig auf diese Genehmigung gewartet habe. Schließlich kann man nicht alle Tage einen Honorarvertrag über 1.360.000 Mark abschließen. Doch die Vergütung, teilte Henrichs unumwunden mit, habe ihn nur am Rande interessiert. Eher schon habe ihn die Frage beschäftigt, ob er von der Metallergewerkschaft möglicherweise als „Feigenblatt“ für die Reinwaschung der amtierenden Gewerkschaftsführung mißbraucht werden könnte. Bei der gutachterlichen Tätigkeit von Henrichs ging es nämlich um die Aufklärung dubioser Vorgänge im Zusammenhang mit diversen Immobiliengeschäften der IG Metall.

Daß eine Kammer des OLG mit diesen Vorgängen beschäftigt war und ist, störte den OLG-Präsidenten dabei nicht. Auch focht ihn nicht an, daß die Bank, für die Henrichs als Treuhänder tätig ist, bei jenen Immobiliengeschäften der IG Metall eine „gewisse Rolle“ spielte. Der Millionär (vor Steuern) wurde nach diesen Auskünften aus dem Zeugenstand entlassen.

Henrichs Standesgenossen meldeten inzwischen scharfen Protest gegen den von Justizminister von Plottnitz vorgestellten Gesetzentwurf zur Neuregelung ihrer Nebentätigkeiten an. Der Entwurf, in dem eine Honorarobergrenze für Nebentätigkeiten von 20.000 Mark pro Jahr vorgesehen ist, sei „verfassungswidrig“. Klaus-Peter Klingelschmitt