Roll den Adolf Hitler

■ Hitler als Zusammenspiel inszenierter Effekte: Armin Mueller-Stahls "Gespräch mit dem Biest" im Panorama

Der 66jährige Armin Mueller- Stahl wagt in seinem Regiedebüt „Gespräch mit dem Biest“, einen Film über Hitler zu machen, der fast ausschließlich mit Oberflächen jongliert. Anfang der vierziger Jahre brauchte es nicht viel für einen falschen Adolf Hitler: ein Bärtchen, einen Scheitel und vielleicht ein bißchen Knet auf der Nasenspitze. In Lubitschs „Sein oder Nichtsein“ tritt ein Doppelgänger an Hitlers Stelle wie in Chaplins „Der große Diktator“. Als 1945 die Dimensionen von Hitlers Schreckensregime allgemein bekannt wurden, war die Möglichkeit eines spielerischen Umgangs mit seiner Erscheinung tabu. Hitler als Objekt von Parodie oder Karnevalisierung gilt, zumindest in Deutschland, als geschmacklos.

In „Gespräch mit dem Biest“ gibt es gleich sechs Führerdoubles, für jeden Wochentag einen (darunter Otto Sander, Hark Bohm, Harald Juhnke). Das Original sprang nur sonntags für sich ein. Der GRÖFAZ – der größte Fake aller Zeiten, ist heute eine kauzige Gestalt, die behauptet, einmal Hitler gewesen zu sein und in einem mit Retrorequisiten vollgestopften Bunker in der Berliner Kantstraße lebt. Wenn ihm langweilig ist und Hortense nicht auf ihn aufpaßt, verbrennt er in einer Emailleschüssel Bücher.

Der Ausgangspunkt der Geschichte ist ein Gedankenspiel: Nicht Hitler starb am 30.4. 1945, sondern eines seiner Doubles. Denn Goebbels ließ allen sechsen nicht nur das Haar, sondern auch das Gebiß nach Art des Hauses frisieren. Im Verlauf von zehn Tagen versucht ein amerikanischer Historiker herauszufinden, ob der kindische Greis im Rollstuhl wirklich Hitler ist. Oder einer seiner Doppelgänger, der sich als Hitler ausgibt. Dabei tritt die Psychologie praktisch vollständig hinter ein absurdes Verwirrspiel um Identität und Geschichte zurück. Mueller- Stahl sucht Hitler in keinem introspektiven Charakterporträt, versucht keine Psychogrammatik eines metaphysischen Bösen, auch wenn der Filmtitel arg danach klingt. Viel eher interessiert ihn das, was „Gespräch mit dem Biest“ zu einem echten Schauspielerfilm macht: die Persönlichkeit als Zusammenspiel inszenierter Effekte. Kein Ich, nicht mal ein „Ich heil' mich selbst“, nirgends.

„Gespräch mit dem Biest“ ist gerade dank der Respektlosigkeit, mit der Mueller-Stahl sich aller moralischen Pflichtübungen enthält, ein politischer Film geworden. Schwarzweiß-Rückblenden, die ein Drittel des Films ausmachen, widersprechen sich als beliebig veränderbare Fiktionen. Geschichte ist, wie sie erzählt wird. Und Hitler wird nur dann für Hitler gehalten, wenn er behauptet, es nicht zu sein. Beim Vorsprechen für einen Film bekommt er nicht mal die Rolle als er selbst. Hannes Klug

„Gespräch mit dem Biest“. Regie: Armin Mueller-Stahl. Mit Armin Mueller-Stahl, Robert Balaban u.a., D/USA 1996, 99 Min.

Heute: 19 Uhr Royal Palast; 16.2.: 13 Uhr Atelier am Zoo