Rechte Bürgermeisterin in der Partnerstadt

■ Mörfelden-Walldorf in Hessen will keine offiziellen Kontakte mit Vitrolles

Frankfurt/Main (taz) – „Als ich am Sonntag in der ,Tagesschau‘ gesehen habe, daß Catherine Mégret von der Front National die Bürgermeisterwahl in Vitrolles gewonnen hat, habe ich gedacht: Da muß was passieren.“ Und tatsächlich, so Kommissionsmitglied Andrea Winkler von den Bündnisgrünen in Mörfelden-Walldorf weiter, habe keine zehn Minuten später das Telefon geklingelt. „Die parlamentarische Kommission für Städtepartnerschaften trifft sich am 25. Februar“, verkündete der Vorsitzende im Auftrag von Bürgermeister Bernhard Brehl (SPD). Einziges Thema: Wie soll die Kommune mit ihren 30.000 Einwohnern im hessischen Landkreis Groß-Gerau auf den Wahlsieg der Rechtsradikalen in ihrer Partnerstadt Vitrolles reagieren?

„Alle offiziellen Kontakte einfrieren.“ Der Antrag, den der fraktionslose Stadtverordnete Herbert Oswald schon am Tag danach vorlegte, dürfte auf der außerordentlichen Kommissionssitzung eine Mehrheit finden. Denn Stadtverordnete von SPD, Bündnisgrünen und DKP – die Partei ist traditionell im Stadtparlament von Mörfelden-Walldorf („Klein-Moskau“) vertreten – haben bereits angekündigt, den Antrag von Oswald unterstützen zu wollen. Bürgermeister Brehl wird also nicht zur Amtseinführung von Catherine Mégret nach Vitrolles reisen. Und die Politiker aus Mörfelden-Walldorf werden der Partnerkommune in Frankreich so lange keine offiziellen Besuche mehr abstatten, bis in Vitrolles wieder „akzeptable politische Verhältnisse“ (Winkler) herrschen.

Doch es gab auch andere Stimmen. Spontan sprachen sich einige Kommunalpolitiker vor allem von den Bündnisgrünen und der DKP dafür aus, alle Kontakte abzubrechen und die Städtepartnerschaft offiziell aufzukündigen. Aus den Reihen der CDU war dagegen zu hören, daß die Partnerschaft in vollem Umfang aufrechterhalten werden müsse. „Wir können uns doch nicht als Zensor aufspielen, nur weil uns das Wahlergebnis nicht paßt“, sagte der Fraktionsvorsitzende der Union im Stadtparlament, Hugo Jung. Einige reiben sich nach dem Wahlsieg der Front National in Vitrolles sogar ganz offiziell die Hände: die „Republikaner“ im Kreistag von Groß-Gerau.

Sollte sich die Partnerschaftskommission für den Antrag von Oswald entscheiden, wird die Verantwortung für die partnerschaftlichen Beziehungen zwischen Mörfelden-Walldorf und Vitrolles auf den Schultern der Mitglieder des (privaten) Vereins für Städtepartnerschaften liegen. Die Vereinsmitglieder sollen dafür sorgen, daß die Kontakte zwischen den Vereinen, den Schulen und den Feuerwehren beider Kommunen nicht abreißen. Mörfelden-Walldorf folgt damit dem Beispiel von Rastatt, das nach dem Wahlsieg von Jacques Bompard von der Front National in Orange schon 1995 alle offiziellen Beziehungen zur Partnerkommune abgebrochen hatte.

Keine Probleme mit den Rechtsradikalen in seiner Partnerstadt Marignane hat dagegen der Oberbürgermeister von Wolfsburg, Werner Schlimme (CDU). Der Christdemokrat reiste im Mai 1996 zur Amtseinführung von Daniel Simonpieri und lobte den Bürgermeister von der Front National danach in den höchsten Tönen: „Ein aufrechter, ehrlicher Mann, der etwas gegen die hohe Kriminalitätsrate tut.“ Klaus-Peter Klingelschmitt