■ USA: Das Publikum begrüßt das Ende der Simpson-Saga
: Orangensaft statt Doppelmord

Soll ihn das nächste Golfloch vom Erdboden verschlingen. Hauptsache, es gibt keine Talkshow, keine Sondersendung mehr, in der sein Gesicht auftaucht. Selbst die Soap-opera-süchtigen Amerikaner möchten endlich wieder ihr Grundrecht wahrnehmen, im Supermarkt vor dem Saftregal bei „OJ“ nur an orange juice denken zu dürfen. Nicht an Doppelmord.

Nicht mit der Freiheit, aber mit 33,5 Millionen Dollar soll O.J. Simpson für eben jenes Verbrechen bezahlen, das ihm die Ermittlungsbehörden in Los Angeles dank betriebseigener Unfähigkeit und hausinternem Rassismus im Strafprozeß nicht nachweisen konnten. Aber wie in Hollywood gibt es auch im amerikanischen Justizsystem das Mittel der Serie – dieses Mal mit einem Happy-End für die andere Seite und einer Jury, welche die Schuld des Angeklagten nur für „wahrscheinlich“ halten, nicht aber „jenseits jeden begründeten Zweifels“ feststellen mußte. Unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten ist das ein – gelinde gesagt – befremdliches Procedere. Aber für die saftfremde O.J.-Industrie hat es sich allemal gelohnt: über 50 Bücher, eine Soap opera (neue Folgen sind zu befürchten), T-Shirts für und gegen den Angeklagten, Anstecknadeln für die Opfer, die Videokollektion des Strafprozesses, originalgetreue Kopien der Tatwaffe, original Autogramme des wahrscheinlich Schuldigen, der jetzt eine ganz persönliche Debatte über seine Rentenversorgung führen muß.

Als Folie für eine neuerliche Diskussion über die Rassenbeziehungen in den USA hat der Fall allerdings ausgedient. Viel hat die ohnehin nicht gebracht – außer einem Blick in die Tiefe der Gräben und der Feststellung, daß der Konsum derselben Fernsehbilder zu diametral entgegengesetzten Schlußfolgerungen bei Schwarzen und Weißen führen kann. Daß die Sprachlosigkeit bei realen Problemen aufgrund oft grotesker Anlässen zu Eruptionen führt, verwundert nicht.

Man darf nun gespannt sein, wieviel politische Brisanz und kommerziellen Unterhaltungswert in wenigen Monaten der nächste „Jahrhundertprozeß“ gegen die mutmaßlichen Attentäter von Oklahoma City hergeben wird. Da geht's allerdings nicht um die brisante Kombination von schwarzen Männern und Sexualität, sondern „nur“ um angry white males und eine dringend überfällige Auseinandersetzung mit dem hauseigenen rechtsradikalen Terrorismus. Andrea Böhm