Vom Staat bezahlte Schreibmaschinen

■ In Österreich sammelt man konservativ – nach Vranitzkys Rücktritt formierten sich besorgte Künstler im Wiener Kunsthaus gegen den Rückwärtsgang in der Kulturpolitik

Auf den Tag genau zehn Jahre war es her, daß Peter Noever als damals noch neuer Direktor des Museums für Angewandte Kunst (MAK) seine Antrittspressekonferenz in Wien gab. „Unter Niveau“ hieß damals die Veranstaltung, die im Kellergeschoß des mittlerweile umgebauten und mehrfach preisgekrönten Kunsthauses stattfand. Ein Jahrzehnt später lud Peter Noever am Dienstag erneut die Presse gemeinsam mit rund 90 KünstlerInnen ein – diesmal war allerdings „Rückschritt“ das Thema des Abends.

Viele der österreichischen Kulturschaffenden fürchten in der Tat, daß die Entscheidung des neuen Bundeskanzlers Viktor Klima, das Kulturministerium abzuschaffen und die Kunst als Chefsache seinem Staatssekretär Peter Wittmann anzuvertrauen, das Signal für eine vor allem rückwärtsgewandte Politik sein könnte. „Wir sind nur etwas besorgt“, heißt es in einem offenen Brief an Klima, „ob bei den anfallenden Regierungsgeschäften für Kunstangelegenheiten auch genügend Zeit bleiben wird.“

Hinter dem scheinbar einstimmigen Künstlerprotest, dem sich allerdings so prominente österreichische Kulturarbeiter wie André Heller, Robert Menasse oder Maria Lassnig zunächst nicht angeschlossen haben, stecken auch handfeste finanzielle Motive. Klima hatte schon als Finanzminister die nachträgliche Besteuerung von Staatspreisen und Staatsstipendien gefordert, war aber am Kultusminister Rudolf Scholten gescheitert. Inzwischen ist Vranitzky als Kanzler zurückgetreten – und mit ihm sein Kulturminister.

Die institutionelle Förderung hat in Österreich Tradition. Daß der Staat maßgeblich die Künstler finanziert, indem er beispielsweise Schreibmaschinen oder Recherchereisen bezahlt, ist unter den sozialdemokratischen Regierungen spätestens seit Bruno Kreisky zur Selbstverständlichkeit geworden. Andererseits gibt es in Österreich – im Gegensatz etwa zur Schweiz oder den USA – seit dem Zweiten Weltkrieg keine meinungsbildenden Galerien oder überragenden Sammler mehr. Das Großbürgertum hingegen sammelt weiterhin konservativ, und so fällt dem Staat die Aufgabe eines Kunstmäzens zu. „Ich habe dabei allerdings das Gefühl“, beschrieb auf seiner Pressekonferenz Peter Noever die derzeitige kulturelle Situation aus seiner Sicht, „als befänden wir uns wieder am Anfang dieses Jahrhunderts. Damals war man auch der Meinung, ein Museum müsse vor allem die Tradition und die Vergangenheit bewahren. Die geistigen Strömungen der Gegenwart, die doch eigentlich als Reise ins Ungewisse erst die Kunst legitimieren, mag niemand sehen – damals wie heute. Und ich fürchte, unseren Politikern geht das ähnlich: Die gehen lieber in die Oper oder sehen sich einen Monet an statt zeitgenössischer Kunst.“

Daß sich der Wind an der Donau gedreht hat, bekam Noever bereits zu spüren: Die beiden Stellen der ausscheidenden Verwaltungs- und der Pressechefin werden zunächst nicht wieder besetzt. Der mit 30 Millionen Schilling bereits hart an der Untergrenze kalkulierte Ausstellungsetat soll nur zur Hälfte bewilligt werden. „Mir ist wurscht, wer künftig die Mittel bewilligt“, kommentierte der Direktor die neue Situation, „aber die zuständigen Damen und Herren Politiker müssen einsehen, daß unsere Museen nur dadurch leben, daß sie leben. Sie dürfen nicht zu leeren Fassaden verkommen, hinter denen nichts mehr passiert.“

Burgtheater-Chef Claus Peymann hat aus der Wende in der österreichischen Kulturpolitik bereits die Konsequenz gezogen und angekündigt, er strebe keine Verlängerung seines 1999 auslaufenden Vertrages an. Die protestierenden bildenden Künstler fordern in ihrem offenen Brief die Wiedereinrichtung eines Kulturministeriums, und Peter Noever denkt laut darüber nach, das Museum für angewandte Kunst im zweiten Halbjahr 1997 leerstehen zu lassen.