■ Serbien: Die Sozialisten bieten Zajedno Kompromiß an
: Miloševićs Manöver

Welche Wende Milošević auch nimmt, auf eines bleibt Verlaß: Er will an der Macht bleiben. Als Oberhaupt der großserbischen Oligarchen schützt er das Kapital, das er und seine Familie der Finanzmasse des untergegangenen Tito-Jugoslawien entnahm und für sich aufhäufte. Er schürte den großserbischen Nationalismus und spülte sich mit ihm auf die Kommandoebene. Den Krieg setzte er ein, um sich die Zustimmung der verführten Massen zu sichern. Er erfand sich als Held des Friedens. Dayton hat ihn darin bestärkt. Alles will er sein, das wird ihn zu Fall brin-

gen.

Miloševićs Endspiel hat begonnen. Er eröffnete es mit dem erneuten Versuch, Zajedno zu spalten. Brutale Gewalt der ihm hörigen Sonderpolizei sollte die Opposition provozieren. Das schlug fehl. Als vorerst letzten Trick zieht er nun die paralegalistische Karte. Sie ist gezinkt. Was Gonzáles forderte, wird nicht erfüllt. Mit dem Sondergesetz, das die Wahlsiege der Opposition anerkennt, versucht Milošević neue Spielzüge mit weiteren Mitspielern zu eröffnen. Nach dem Rückzug der Zajedno-Abgeordneten ist die Mehrheit der im Parlament Verbliebenen dem Oligarchen verpflichtet. Falls nötig, werden sie zu Instrumenten des Verschleppens. Milošević beherrschte es virtous, auf Zeit zu spielen. Die Opposition soll so lange verwirrt werden, damit er zu den Neuwahlen am Ende diesen Jahres aus seiner Machtposition heraus wieder einmal gegen den Rest der balkanischen Welt antreten kann. So will Milošević als Sieger aus den Niederlagen der demokratischen Aufbrüche hervorgehen. Kann ihm auch dieser Coup gelingen? Nicht, wenn die Kräfte des anderen Serbien stark genug werden. Unerschrocken haben Zehntausende junge Studierende an allen Hochschulen des Landes die Mauer der Angst durchbrochen.

Friedlich und kreativ legen sie den Grundstein für ein neues Jugoslawien. Sie haben begonnen, das Gefängnis des Nationalismus zu verlassen. Ihre Demonstrationen sind Schulen der Demokratie. Ihr Mut kann Jugoslawien verändern. Nutzt Zajedno klug die letzten Manöver von Milošević, klärt sie die Öffentlichkeit auf über die Raubzüge seiner Clique an der Zukunft Jugoslawiens, hat sie eine Chance, sein Endspiel abzupfeifen. Gert Weisskirchen

Der Autor ist Bundestagsabgeordneter der SPD