USA nett, EU verärgert

Die türkische Außenministerin vergrätzt die EU, die USA zeigen für Tansu Çiller Verständnis  ■ Aus Istanbul Ömer Erzeren

„Der Skandal von Rom“ titelt die türkische Tageszeitung Radikal in ihrer gestrigen Ausgabe über das Treffen der türkischen Außenministerin Tansu Çiller mit ihren Amtskollegen aus fünf EU-Staaten. „EU schockiert Çiller“ schlagzeilt das Massenblatt Hürriyet. Fast alle türkischen Tageszeitungen berichten über den Protest italienischer Parlamentarier gegen den italienischen Ministerpräsidenten Prodi und Außenminister Dini, weil sie sich am Mittwoch mit Außenministerin Çiller getroffen hatten. Schließlich, hatten die Parlamentarier argumentiert, sei Tansu Çillers Name mittlerweile mit Drogengeschäften verbunden.

Tatsächlich ist das Ansehen der türkischen Außenministerin wegen zahlreicher Korruptionsaffären und Vorwürfen, daß sie in kriminelle Machenschaften verwickelt sei, in der türkischen Öffentlichkeit dermaßen lädiert, daß jeder Anlaß wahrgenommen wird, um sie weiter bloßzustellen.

Dabei muß das Treffen in Rom nicht einmal als Niederlage für Außenministerin Çiller gewertet werden. Çiller, die wegen Kurdenpolitik und Menschenrechtsverletzungen im Zentrum der Kritik der EU steht, drohte ihren europäischen Amtskollegen mit einem Veto gegen die Osterweiterung der Nato, falls die Türkei nicht als Vollmitglied in die EU aufgenommen wird. „Die Türkei wird einen Aufnahmeantrag stellen“, kündigte Çiller nach dem Treffen mit den Außenministern Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens, Spaniens und Italiens an. Die EU dürfe die Türkei nicht als zweitklassiges Land betrachten. Die Erweiterung Europas und die der Nato dürften nicht getrennt betrachtet werden.

Grundsätzlich wollen die EU- Außenminister zwar der Türkei die EU-Vollmitgliedschaft nicht verweigern, verweisen aber immer wieder auf die türkisch-griechischen Spannungen, das ungelöste Zypernproblem, die Kurdenpolitik und Menschenrechtsverletzungen. Der italienische Außenminister Dini nannte zwar Menschenrechtsverletzungen ein Hindernis auf dem Weg der Türkei zur vollen EU-Mitgliedschaft, erklärte jedoch: „Aber die Türkei bewegt sich in die richtige Richtung.“

Der deutsche Außenminister Klaus Kinkel sprach als einziger Außenminister Worte aus, die als unmittelbare Abweisung des türkischen Ansinnens gewertet werden können: „Die EU kann es sich nicht leisten, Länder aufzunehmen, die ungelöste territoriale und sonstige Probleme in die EU hineintragen würden.“

Noch etwas schärfer formulierte das der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Karsten Voigt. Er warf der türkischen Außenministerin Erpressung vor – sie wolle offenbar auch die letzten Befürworter eines EU- Beitritts der Türkei vor den Kopf stoßen.

Doch Çiller kann sich der Rückendeckung aus Washington sicher sein. Der Sprecher des US- Außenministeriums, Nicholas Burns, erklärte, die EU solle die Menschenrechtsfrage nicht zum Hindernis für einen EU-Beitritt machen, es gebe strategische Gründe dafür, die Stellung der Türkei innerhalb Europas zu stärken. Die Türkei müsse in alle westeuropäischen Institutionen integriert werden, nicht nur in die Nato.

Die USA seien dagegen, künstliche oder neue Bedingungen aufzustellen, die die Türkei daran hinderten, eine gleichberechtigte Rolle zu spielen. Auch US-Außenministerin Madeleine Albright habe dies gegenüber EU-Vertretern in Washington zum Ausdruck gebracht.

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