Insulaner und Genossen wohnen schöner

■ Hans Jochen Waitz über die Bedeutung von Baukultur, die Fleetinsel und die Lösung des Hafenstraßen-Konflikts

Der Rechtsanwalt Hans Jochen Waitz erhält heute den Baukulturpreis des Bundes Deutscher Architekten Hamburg. Die Auszeichnung wird an Waitz für seine Verdienste bei der Lösung der Konflikte um die Fleetinsel und die Hafenstraße verliehen.

taz: Herr Waitz, was verstehen Sie als der Preisträger selbst unter Baukultur?

Hans Jochen Waitz: Im Grunde genommen werden hier die beiden Projekte, Fleetinsel und Hafenstraße, ausgezeichnet. Der baukulturelle Erfolg besteht darin, daß es gelungen ist, in beiden Projekten die Nutzerstruktur zu erhalten, wodurch im innerstädtischen Bereich eine gewisse Aufmischung stattfindet. Die Innenstadt sollte nicht nur Banken, Versicherungen und Anwälten vorbehalten bleiben, sondern sich auch anderen, z. B. Künstlern oder die Hafenstraßenbewohnern, öffnen, die die Neubaumieten in bevorzugten Stadtlagen natürlich nicht bezahlen können.

Ihr Verständnis von Baukultur ist also aus der Nutzung begründet, nicht aus der Architektur?

Ja. Das greift hier sehr ineinander. Bei beiden Projekten ist es so, daß die Architektur den Nutzern sehr entgegenkommt.

Wie kam es zu Ihrem Engagement bei der Fleetinsel?

Ich bin, drei Tage bevor der Abrißbeschluß auf der Tagesordnung der Bürgerschaft stand, von Bewohnern der Fleetinsel, dem Galeristen Ulrich Dörrie und Carsten Dane vom Westwerk, gebeten worden, etwas zu unternehmen. Sie wollten, daß ich den damaligen Kultursenator Ingo von Münch dorthin holen sollte. Der kam auch sofort, und dann haben wir gemeinsam die Situation analysiert. Es stellte sich heraus, daß die von der Stadt favorisierte Hotelnutzung auf der Fleetinsel von den Altbauten überhaupt nicht beeinträchtigt würde. Das hat dann auch Herrn von Münch überzeugt, und wir haben gemeinsam beschlossen, für den Erhalt der Häuser zu kämpfen.

Wir haben dann ein kurzes Konzept geschrieben, und tatsächlich setzte die Bürgerschaft den Tagesordnungspunkt wieder ab. Dann begann die Zeit, wo wir versuchten, Politiker und Investoren darüber aufzuklären, daß es nicht nur im Sinne der Bewohner, sondern vor allem auch im Interesse der Stadt sei und für die Neubauten drum herum auch von Vorteil wäre, wenn hier eine Art Kulturzentrum entstünde. Das wurde dann schließlich auch eingesehen, und so konnte das Ensemble gerettet werden.

Aber was war Ihre persönliche Motivation? Die Bitte von Freunden oder ein Unbehagen über die Stadtentwicklungspolitik?

Ich habe erstmal nicht stadtentwicklungspolitisch gedacht, sondern ich kannte einfach eine ganze Menge Leute in der bildenden Kunst. Und wenn man Kunst fördert, dann braucht man Ateliers.

So sind Sie ins Immobiliengeschäft eingestiegen.

Ja, weil dann gesagt wurde, wenn ihr das erhalten wollt, dann müßt ihr es auch kaufen. Das habe ich dann mit meinem Freund, dem Architekten Jan Störmer, auch getan. Allerdings mit den Auflagen Sanierung, Mietpreisbindung und kultureller Erhalt.

Was haben sie mit Investitionskosten für die Häuser bezahlt?

7 bis 8 Millionen.

Und es hat Sie damals keinerlei Profitinteresse getrieben?

Nein, aber der niedrige Kaufpreis war durchaus eine Absicherung für das mit dem Projekt verbundene Risiko. Als Anwalt und Immobilienamateur hatte ich natürlich keine Ahnung, was bei der Renovierung für enorme Kosten auf mich zukommen würden. Wir haben uns vertraglich verpflichtet, den günstigen Kaufpreis für zehn Jahre durch günstige Mieten an die Bewohner weiterzugeben. Zwischenzeitlich wissen wir, daß es vernünftig läuft, und wir werden das Projekt mit günstigen Mieten zum Erhalt der künstlerischen und kulturellen Nutzung auch nach den zehn Jahren fortführen.

Wie sind Sie mit der Skepsis der damaligen Bewohner umgegangen, die ja sehr unter dem städtischen Desinteresse litten?

Wir kannten ja eine ganze Menge der Bewohner und hatten die Entwicklung mit den Künstlern intensiv vorbesprochen. Da gab es kein Problem, aber es gab natürlich auch viele andere Nutzer. Von denen gab es durchaus Gegenwind, und ich muß eingestehen, daß ich da auch Fehler gemacht habe. Wir haben in unserer Begeisterung für das Kunstprojekt teilweise einfach zu wenig an die Menschen gedacht, die da auch noch wohnen.

War die Erfahrung mit der Fleet-insel ausschlaggebend für Ihr Hafenstraßen-Engagement?

Ich wurde damals, im Januar 1995, von Senator Thomas Mirow natürlich gefragt, weil er wußte, daß ich die Fleetinsel gemacht habe. Und er hatte damals in der Tat die Vorstellung, daß man die Hafenstraße genauso privatisieren sollte, also die kapitalistische Lösung umsetzt. Aber die Hafenstraße war ein völlig anderes Problem. Ich habe ihm gesagt, daß ich mit den Bewohnern mal darüber sprechen würde, weil ich der festen Überzeugung war, daß eine Lösung nur gemeinsam mit diesen möglich war. Und schon nach dem ersten Gespräch wurde mir klar, daß eine analoge Fleetinsellösung für die Hafenstraße nicht angemessen war. Die Bewohner haben mir klar gemacht, daß sie sich einen privaten Eigentümer nicht vorstellen können. Und ich muß sagen, so wie sie argumentiert haben, war das auch einleuchtend. Mit dieser Problemgeschichte ist die Vergesellschaftung durch eine Genossenschaft die richtige Lösung.

Wie ging es weiter?

Ich bin dann nach dem Gespräch zu Senator Mirow gegangen und habe ihm gesagt, so geht das nicht. Dann haben wir uns nach vielen Gesprächen zwischen Senator Mirow und den Bewohnern auf die neue Genossenschaft geeinigt. Die Bewohner finanzieren den Erwerb der Häuser also in vollem Umfang selbst.

Warum hat es Ihrer Meinung nach so lange gedauert, bis man zu einer so einfachen und vernünftigen Lösung gekommen ist?

Daß es vorher nicht gelöst werden konnte, liegt zum einen daran, daß die Stadt einfach große Schwierigkeiten hat, mit solchen Menschen zu reden. Es war ein ganz wesentlicher Punkt in diesen Verhandlungen, daß wir erst einmal Senator Mirow und die Bewohner an einen Tisch kriegen mußten.

Zum anderen hat die Stadt, das hat sich sowohl an der Fleetinsel wie an der Hafenstraße gezeigt, große Probleme, individuelle Lösungen für solche Konflikte zu finden. Und deswegen ist es wahrscheinlich vernünftig, dies unter Zuhilfenahme von Privaten anzugehen. Denn ich habe in beiden Fällen etwas getan, was der Staat nicht tun kann, nämlich eine teilweise illegale Situation zu legalisieren.

Schließlich kann man wohl sagen, daß die Zeit zur Konfliktlösung reif war.

Wie haben Sie den Kontakt mit den Bewohnern der Hafenstraße erlebt, die ja von staatlicher Seite oft als Chaoten dargestellt werden, mit denen man nicht reden könne?

Die Gespräche dort haben mir großen Spaß gemacht und ich habe große Hochachtung vor den Menschen in der Hafenstraße.

Fragen: Till Briegleb