Rentenkommission im Dauerstreß

■ Zwar tagte die Rentenkommission von Bundesarbeitsminister Blüm gestern. Dennoch blieben Fragen offen, ob die Renten künftig höher besteuert werden und ob nicht doch eine Kürzung zu erwarten ist

Von morgens früh um acht Uhr bis in den Nachmittag hinein tagte gestern im Bundesarbeitsministerium die Regierungskommission mit dem unscheinbaren Namen „Fortentwicklung der Rentenversicherung“. Die 17 Sachverständigen aus der Versicherungs-, Wirtschafts- und Finanzwissenschaft wollten gemeinsam mit dem Kommissionsvorsitzenden Norbert Blüm gestern in dieser letzten Sitzung ihre Arbeit abschließen. Wann aber die Kommissionsvorschläge über die langfristige Kürzung der Altersrenten letztlich offiziell dem Bundeskabinett präsentiert werden, blieb jedoch ungewiß.

Schließlich will Bundesarbeitsminister Norbert Blüm (CDU) den Kommissionsbericht nur dann ins Bundeskabinett einbringen, wenn die Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt in die Rentenkassen kräftig steigen und wenn Finanzminister Theo Waigel (CSU) mehr versicherungsfremde Leistungen der Rentenkassen finanziert.

Im Auftrag der Bundesregierung sollte die Kommission eigentlich schon Ende letzten Jahres die Frage beantwortet haben, „wie auch angesichts der demographischen Entwicklung der bewährte Generationenvertrag fortentwickelt werden kann“.

Nach dem letzten Gutachten des Sozialbeirats der Bundesregierung würden nämlich die Rentenbeiträge von derzeit 20,3 Prozent auf rund 26 Prozent im Jahre 2030 ansteigen, sofern Sozialminister Blüm die Alterseinkommen nicht langfristig kürzen würde. Die Kommission will deswegen über eine Änderung der Rentenformel den künftigen Alten kräftig in die Tasche greifen. Stufenweise, so scheint schon festzustehen, soll das Alterseinkommen des sogenannten Eckrentners von jetzt rund 70 Prozent des letzten Nettoeinkommens auf 62 bis 64 Prozent im Jahre 2030 abgesenkt werden. Als Modell- oder sogenannter Eckrentner gilt dabei jener Arbeitnehmer, der 45 Jahre lang durchschnittliche Versicherungsbeiträge gezahlt hat.

Langfristig will die Kommission damit Rentenansprüche von etwa 80 Milliarden Mark pro Jahr kürzen. Würde das allgemeine Rentenniveau um einen Prozentpunkt gesenkt werden, entspräche dies einer jährlichen Einsparung von etwa 15 Milliarden Mark im Jahr. Die Rentenkommission will durch diese geplanten Kürzungen sicherstellen, daß die je zur Hälfte von Arbeitnehmern und Arbeitgebern zu zahlenden Rentenbeiträge langfristig die 20-Prozent-Marke nicht übersteigen.

Wie es gestern im Bundesarbeitsministerium hieß, könnte eine baldige Übernahme versicherungsfremder Leistungen durch Bundesfinanzminister Waigel zunächst sogar eine Senkung der Rentenbeiträge möglich machen. Die demographische Entwicklung (im Jahre 2030 müßten bei günstiger Entwicklung des Arbeitsmarktes 100 Beschäftigte für 110 Rentner aufkommen), mit deren Folgen sich die Blümsche Rentenkommission gestern befaßte, schlage sich erst nach und nach in den Rentenkassen nieder.

Überschattet wird die Arbeit der Rentenkommission durch die aktuelle Auseinandersetzung um die Steuerreform. Blüm hat klargestellt, daß er den Vorschlag, ab 1999 fünfzig Prozent der Rente zu besteuern, ablehnt. Seine Sorge ist, daß dies der Beginn für eine dann irgendwann einmal fällige hundertprozentige Besteuerung wäre. Planspiele, die wohl eher abschreckend wirken sollen, sickerten bereits vor einigen Wochen aus Blüms Ministerium durch. Würde die Hälfte einer bislang steuerfreien Rente von 2.800 Mark besteuert werden, so die Berechnungen, wäre eine Einkommenssteuer von monatlich 42 Mark fällig. Stiege der steuerpflichtige Anteil gar auf 70 Prozent, müßten 157 Mark an den Fiskus fließen.

Gegenwärtig liegt der sogenannte Ertragsanteil der Rente, der unter die Steuerpflicht fällt, bei 27 Prozent. Ein Arbeitnehmer, der 45 Jahre lang hohe Beiträge eingezahlt hat und mit 65 Jahren in den Ruhestand gegangen ist, kommt im Durchschnitt auf eine Jahresrente von rund 24.000 Mark. Konkret heißt das: rund 6.300 Mark seiner Rente müßten versteuert werden. Diese Berechnung steht derzeit aber weitgehend auf dem Papier, denn dem steuerpflichtigen Anteil der Rente stehen hohe Freibeträge gegenüber – im Endeffekt zahlt also der „Durchschnittsrentner“ keine Abgaben.

Eine Ausnahme gilt jedoch für jene Gruppe gutsituierter Pensionäre, die höhere Renten beziehen oder über zusätzliche Einkünfte verfügen: Liegt ihr Ertragsanteil über den Freibeträgen, kann dieser besteuert werden.

Ziemlich mühsam versucht Arbeitsminister Norbert Blüm jedoch, dem anhaltenden Reizthema Rente positive Signale zu entlocken. Ähnlich wie bei der Einführung der Pflegeversicherung setzt er auf kleine sozialpolitische Bonbons, die den wohl düsteren Rentenbericht aufhellen sollen. So schlug er jüngst vor, eine bereits in den 50er Jahren diskutierte Familienkasse einzuführen. Aus ihr könnten dann die Rentenansprüche für die Kindererziehungsjahre beglichen werden. Jürgen Voges/Severin Weiland