Rentenkommission im Dauerstreß

■ Die Rentenkommission hat das Ergebnis ihrer halbjährigen Beratung präsentiert. Bis zum Jahre 2000 sinkt das Rentenniveau um ein Zehntel. Die Frage, ob die Renten künftig höher besteuert werden, ist offen

Den ganzen gestrigen Tag verbrachte Bundesarbeitsminister Norbert Blüm (CDU) mit den siebzehn Sachverständigen seiner Rentenkommission in Klausur, bervor er um 17 Uhr den heutigen und künftigen Rentnern die schlechte Botschaft überbrachte: Das Rentenniveau soll langfristig erheblich absinken, für den Durchschnittsrentner von heute rund 70 Prozent des letzten Nettoeinkommens auf 64 Pronzent im Jahre 2030.

Trotz dieser Kürzung, die unter dem Strich die Alterseinkommen fast um ein Zehntel kappt, empfiehlt die Regierungskommission mit dem unscheinbaren Namen „Fortentwicklung der Rentenversicherung“ auch noch Beitragserhöhungen: Der Beitragssatz für die Rentenversicherung, der heute bei 20,3 Prozent liegt, soll bis 2030 auf 22,9 Prozent klettern. Für die nächsten Jahre glaubt die von Blüm geleitete Regierungskommission die Rentenbeiträge allerdings erst einmal absenken zu können. Möglich werden soll dies durch eine sogenannte Familienkasse, über die beitragsfremde Leistungen des Rentensystems bezahlt werden sollen. Die Blümsche Familienkasse soll aus Steuermitteln finanziert werden, und aus ihr soll derjenige Teil der Renten bestritten werden, der auf Leistungen für die Familie, etwa auf Erziehungszeiten, zurückgeht. Sie läßt sich natürlich nur einrichten, wenn die Union sich zu jener Erhöhung der Mehrwertsteuer um einen Prozentpunkt bereit findet, die Norbert Blüm schon bei seinem Nein zum Steuerpaket für die Rentenkassen eingefordert hatte. Wann die Kommissionsvorschläge über die langfristige Kürzung der Altersrenten letztlich offiziell dem Bundeskabinett präsentiert werden, blieb gestern deswegen ungewiß.

Am kommenden Wochenende wollen zunächst die Parteigremien der Union über die Vorschläge beraten. Der Bundesarbeitsminister Norbert Blüm (CDU) wollte bisher den Kommissionsbericht nur dann ins Bundeskabinett einbringen, wenn tatsächlich die Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt in die Rentenkassen kräftig steigen und wenn Finanzminister Theo Waigel (CSU) mehr versicherungsfremde Leistungen der Rentenkassen finanziert. Im Auftrag der Bundesregierung sollte die Kommission eigentlich schon Ende letzten Jahres die Frage beantwortet haben, „wie auch angesichts der demographischen Entwicklung der bewährte Generationenvertrag fortentwickelt werden kann“.

Langfristig will die Kommission nun Rentenansprüche von etwa 80 Milliarden Mark pro Jahr kürzen. Wird das allgemeine Rentenniveau um einen Prozentpunkt gesenkt, entspricht dies einer jährlichen Einsparung von etwa 15 Milliarden Mark. Die Rentenkommission will durch diese geplanten Kürzungen sicherstellen, daß die je zur Hälfte von Arbeitnehmern und Arbeitgebern zu zahlenden Rentenbeiträge langfristig die 20-Prozent-Marke nicht übersteigen.

Wie es gestern zunächst im Bundesarbeitsministerium hieß, könnte eine baldige Übernahme versicherungsfremder Leistungen durch Bundesfinanzminister Theo Waigel eine Senkung der Rentenbeiträge möglich machen. Die demographische Entwicklung (im Jahre 2030 müßten bei günstiger Entwicklung des Arbeitsmarktes 100 Beschäftigte für 110 Rentner aufkommen) schlage sich erst nach und nach in den Rentenkassen nieder. Überschattet wurde die Arbeit der Rentenkommission durch die aktuelle Auseinandersetzung um die Steuerreform. Blüm hat klargestellt, daß er den Vorschlag, ab 1999 fünfzig Prozent der Rente zu besteuern, ablehnt. Seine Sorge ist, daß dies der Beginn für eine dann irgendwann einmal fällige hundertprozentige Besteuerung wäre. Planspiele, die wohl eher abschreckend wirken sollen, sickerten bereits vor einigen Wochen aus Blüms Ministerium durch. Würde die Hälfte einer bislang steuerfreien Rente von 2.800 Mark besteuert werden, so die Berechnungen, wäre eine Einkommensteuer von monatlich 42 Mark fällig. Stiege der steuerpflichtige Anteil gar auf 70 Prozent, müßten 157 Mark an den Fiskus fließen.

Gegenwärtig liegt der sogenannte Ertragsanteil der Rente, der unter die Steuerpflicht fällt, bei 27 Prozent. Ein Arbeitnehmer, der volle 45 Jahre lang hohe Beiträge eingezahlt hat und mit 65 Jahren in den Ruhestand gegangen ist, kommt im Durchschnitt auf eine Jahresrente von rund 24.000 Mark.

Konkret heißt das: Rund 6.300 Mark seiner Rente müßten versteuert werden. Diese Berechnung steht derzeit aber weitgehend auf dem Papier, denn dem steuerpflichtigen Anteil der Rente stehen hohe Freibeträge gegenüber – im Endeffekt zahlt also der „Durchschnittsrentner“ keine Abgaben. Eine Ausnahme gilt jedoch für jene Gruppe gutsituierter Pensionäre, die höhere Renten beziehen oder über zusätzliche Einkünfte verfügen: Liegt ihr Ertragsanteil über den Freibeträgen, kann dieser besteuert werden. Jürgen Voges, Severin Weiland