Mit „Schnulli“ an Riesen-Rente

■ Betrügerischer Mitarbeiter der Landesversicherungsanstalt Oldenburg-Bremen muß für zwei Jahre hinter Gitter / Tote zum Leben erweckt

Oldenburg. Mit dem Paßwort „Schnulli“ eines Vorgesetzten und den Computern von Kollegen hat sich ein ehemaliger Angestellter der Landesversicherungsanstalt Oldenburg-Bremen für gut zwei Jahre zum Super-Rentner gemacht. Er ließ für 21 erfundene Rentenempfänger bis zur Entdeckung insgesamt 723.000 Mark auf das eigene Konto überweisen.

Ein Schöffengericht beim Amtsgericht Oldenburg verurteilte den 24 Jahre alten geständigen Angeklagten am Dienstag wegen Computerbetrugs zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung.

Annähernd 400. 000 Mark konnten bei der Aufdeckung des Betrugsmanövers im August vergangenen Jahres sichergestellt werden. Mit Schulden von mindestens 324.000 Mark und der Auflage, 100 Stunden gemeinnützig zu arbeiten, verließ er am Dienstag den Gerichtsaal. Bereits mit der Aufdeckung der Tat im August vergangenen Jahres war für ihn nach eigenen Worten ein „ein schönes Leben in Angst“ zu Ende gegangen.

Angesichts des Schuldenberges und des Strafmakels erwarte ihn jetzt „ein hartes Los“, sagte der Staatsanwalt voraus, der ebenfalls zwei Jahre Freiheitsstrafe auf Bewährung beantragt hatte.

Gereizt hatte den damals 22 Jahre alten Sozialversicherungsfachangestellten der Gedanke, „den LVA-Computer dahin zu bringen, daß er macht was ich will“.

Mit Hilfe des Paßworts des Vorgesetzten, das angeblich mehrere Kollegen kannten, schaffte er es. Er ließ Versicherte im Rechner sterben. Dann setzte er eine fiktive Witwe ein, gab ihr das eigene Konto bei einer exklusiven Oldenburger Privatbank. Dorthin ließ er Hinterbliebenenrenten mit einer Einmalzahlung zwischen 35. 535,59 Mark und 56.278,78 überweisen.

Anschließend erweckte er die „Toten“ wieder zum Leben und ließ die erfundenen Empfängerinnen wieder „sterben“. Nachdem das 13 Mal geklappt hatte, stellte der Betrüger auf Dauerzahlungen um. Dafür erfand er insgesamt acht Rentner aus Rostock, die alle bei ihm in Oldenburg wohnten und alle dasselbe Konto unter dem Namen des Angeklagten hatten. Ein Enddatum für die Rentenzahlungen gab er nicht ein.

Stattdessen gab er seinen Job bei der LVA in Oldenburg auf, weil sein Gehalt von rund 2.000 Mark netto „den Kohl auch nicht mehr fett machte“. Das „schöne Leben“ des Frührentners mit „Schweißausbrüchen“ bei Zufallsbegegnungen mit der Polizei umfaßte teure Reisen, Aufenthalte in Luxushotels, eine „Haushaltshilfe“ und ein relativ luxuriöses Auto. Bezahlt wurde alles aus dem Haushalt der neuen LVA Mecklenburg-Vorpommern. Für sie leistete die LVA in Oldenburg Aufbauhilfe.

Im August 1996 erstattete die LVA Strafanzeige gegen den ehemaligen Mitarbeiter. Wie sie ihm auf die Schliche gekommen war, wurde am Dienstag vor Gericht nicht erörtert. Unterschiedliche Auffassungen gab es zur Rolle der LVA-Verantwortlichen.

Die Verteidigung sah ein Mitverschulden wegen mangelhafter Kontrolle.

Die Staatsanwaltschaft wunderte sich, daß eine so große Zahl von Rentenempfängern mit derselben Adresse nicht aufgefallen sei. Das Gericht schließlich widersprach beiden:

Der Angeklagte habe das Vertrauen seines Arbeitgebers mißbraucht, ohne das auch im Computerzeitalter kein Betrieb und keine Verwaltung funktionieren könne. „Hineingerissen“ habe er außerdem Kollegen, gegen die Disziplinarmaßnahmen eingeleitet wurden.

Manfred Protze, dpa