Bibelschlacht um Homosexualität

■ Gruppe von der Alster gegen Fundamentalismus in CVJM-Zentrale Von Markus Götte

Auf einem klapprigen Holzwagen ist die Inquisition auf dem Weg von Kassel nach Hamburg. Genaues Ziel der überkonfessionellen Kleriker vom Dachverband des Christlichen Vereins junger Menschen (CVJM) ist die hamburgische Dependance eben diese CVJM. Die HanseatInnen hatten gefrevelt und die Homosexualität als Bestandteil der Schöpfung gesehen. Aber gemach, wir sind nicht mehr im Mittelalter und die Inquisition bleibt samt ihrer Folterinstrumente in Kassel und ist für Journalisten nicht zu sprechen.

Der Gegenstand der Kontroverse ist wie so oft aus Papier, eine Stellungnahme des CVJM zu Hamburg. Die Nordlichter greifen damit die Position des CVJM-Dachverbandes zur Homosexualität scharf an und outen sie als mittelalterlich. In der verbandsoffiziellen „Orientierungshilfe für die aktuelle Diskussion über Homosexualität“ von 1994 wimmelte es von Bibelzitaten, die beweisen sollten, daß „Homosexualität eine deutliche Abweichung von der Ordnung des Lebens (...) und die homosexuelle Praxis ausnahmslos gegen den Willen Gottes gerichtet“ ist.

Die HamburgerInnen kritisieren dies als eine „dogmatische Schriftenauslegung mit dem Wunsch, verbindliche Wahrheiten für alle festzulegen“. Zumal dies nur halb erfolgt sei. Wenn schon die Bibel zitieren, dann richtig, sagen sie: „Schwule töten“. Der biblische Beweis fand sich im Dritten Buch Mose: „Denn alle, die solche Greuel (d.h.: Homosexuelle Liebe) praktizieren, werden ausgerottet werden aus ihrem Volk.“

So wehren sie sich gegen einen „protestantischen Fundamentalismus (...) des CVJM-Gesamtverbandes, der dem Christentum nur schaden kann.“ Und weiter: „Das hat der Gekreuzigte nicht verdient!“ Frank Tofern, Vorstandsmitglied des liberalen CVJM zu Hamburg bringt den Protest auf den Punkt: „Ich möchte die Kasseler nicht als reaktionäre Spinner abtun, die Blödsinn daherreden. Die kommen nicht platt daher: Du bist schwul und böse. Sie wollen das Problem Homosexualität seelsorgerisch entsorgen.“

Für die HamburgerInnen ist das Thema Homosexualität nur der Aufhänger, um auf die vielfältigen Versuche eines Rollbacks innerhalb des CVJM aufmerksam zu machen. Es soll nicht zu einer „pietistischen, evangelikalen, charismatischen oder gar fundamentalistischen Gruppierung“ kommen. Damit fühlen sich die CVJMlerInnen von der Alster ziemlich allein. „Das muß man sich wie David gegen Goliath vorstellen“, meint Tofern.

Der reaktionäre Oberguru ist Ulrich Parzany, Generalsekretär und Leiter des Dachverbandes in Kassel und in der sogenannten Pro Christ-Bewegung aktiv. 1993 moderierte er die Reden des reaktionären „Maschinengewehr Gottes“, Bill Graham aus der nordamerikanischen Fernsehpredigerzunft. Im Mai 1995 will er sich in Leipzig selbst aufs Podium schwingen. Via Satellit möchte er den Gläubigen in 391 Orten in Deutschland und Europa heimleuchten.

Reinhart Weiß, Referent in der Kasseler Presseabteilung des CVJM, bestätigt dies, will sich aber zum Hamburger Papier nicht äußern. Er wimmelt ab und hat zu arbeiten. Parzany sei auf Dienstreise, sagt er am Telefon. Und überhaupt, „das Papier geht seinen ordnungsgemäßen bürokratischen Gang. Vom CVJM-Landesverband irgendwann zum Dachverband, also zu uns.“ Und erst dann werde man sich äußern. So Gott will.