Konfrontation um jeden Preis

■ Energiepolitik: Bonn blockiert den Wandel

Am Anfang stand die Idee vom großen Energiekonsens. Er sollte die ganze Gesellschaft umfassen. Von der Stromwirtschaft über die Parteien bis hin zu den atomkritischen Umweltverbänden. Das war erkennbar Unsinn. Fundamentalkonflikte sind nicht konsensfähig. Über sie entscheiden kurzfristig die Mehrheiten, langfristig die Zeitläufte. Also schickte die Regierung jene nach Hause, die entbehrlich und außerdem nicht erpreßbar schienen.

Übrig blieb die SPD, von deren Zustimmung die wichtigsten AKW-Betreiber – RWE und PreussenElektra – zu Beginn der 90er den Bau neuer Atommeiler abhängig machten. Damit verschwand der Anspruch einer umfassenden Verständigung über das künftige Energiesystem. Verhandelt wurde nur noch über die Zukunft der Atomenergie und die der deutschen Steinkohle – zwei Auslaufenergieträger. Die Bundesregierung will die Atomenergie, weil Günter Rexrodt und Angela Merkel nicht verstehen (wollen), daß diese Technologie bald so überholt sein wird wie die Dampfmaschine. Die SPD will weiter den Einsatz deutscher Steinkohle, die den Steuerzahler jährlich mehr als zehn Milliarden Mark kostet, weil sie in NRW und im Saarland regiert. Als Ergebnis droht ein Deal nach dem Motto: Läßt du mir meinen Unsinn, lass' ich dir deinen. Antistrukturwandelpolitik eben. Sie verzögert den Sieg eines modernen, regenerierbaren Energiesystems. Verhindern wird sie ihn nicht.

Rexrodt und Merkel gehen jetzt einen Schritt weiter. Ohne Konsens, mit wem auch immer, tragen sie die Stromwirtschaft zum Jagen wie weiland die Bundesregierungen der sechziger und siebziger Jahre, als die Installierung der Strahlentechnologie anstand. Damals wie heute wollen die Strombosse eigentlich keine neuen AKW. Sie brauchen keine. Sie wissen nicht, ob und wann sie wieder welche brauchen. Vor allem aber graust ihnen vor dem Tag, an dem sie den Standort für den Bau eines neuen Mammutreaktors bekanntgeben müssen.

In einem Land, in dem der Transport eines nuklearen Mülleimers unter 50 Millionen Mark nicht zu haben ist, bleiben neue AKW Illusion. Die Stromherren wissen das. Merkel, Rexrodt und auch Kohl ahnen es. Sie wollen die Konfrontation, nicht den Konsens. Gerd Rosenkranz