Exdiktator entgeht dem Henker

■ Südkoreanisches Gericht verwandelt Todesurteil gegen Chun Doo Hwan in „lebenslänglich“. Hafterlaß für den Sohn

Bangkok (taz) – Der frühere südkoreanische Militärdiktator Chun Doo Hwan entgeht dem Henker: Ein Gericht in Seoul verwandelte gestern das Todesurteil gegen ihn in eine lebenslange Haftstrafe. Sein Roh Tae Woo muß anstatt 22,5 nun 17 Jahre ins Gefängnis.

In einem historischen Prozeß waren die Politiker im August wegen Korruption, Landesverrats und ihrer Rolle beim Massaker von Kwangju verurteilt worden. Beide hatten die Militärherrschaft und ihre scharfe Unterdrückung jeglicher Opposition mit der kommunistischen Gefahr aus Nord- Korea gerechtfertigt.

Zwar bestätigte das Berufungsgericht in Seoul gestern, daß Chun und Roh für den Putsch von 1979 und die Erschießung Hunderter Demonstranten 1980 verantwortlich sind. Ihre politischen Verdienste milderten jedoch die Schwere ihrer Verbrechen, sagte Richter Kwon Sung. Chun, der von 1980 bis 1988 herrschte, habe Süd-Korea in dieser Zeit zum wirtschaftlichen Aufschwung verholfen.

Der Richter hielt den beiden außerdem zugute, daß sie ihre Ämter – anders als ihre Vorgänger – freiwillig aufgegeben hatten. So wurde der Weg zu demokratischen Reformen frei – und ihre Verurteilung erst möglich.

„Die Macht abzugeben, muß nicht unbedingt den Tod bedeuten“, sagte Richter Kwon. Er betonte damit die symbolische Bedeutung dieses Urteils für die politische Kultur Süd-Koreas, das erst seit 1993 eine demokratisch gewählte Regierung hat.

Chun und Roh, in hellblauer Gefängniskluft gekleidete Exgeneräle mit den Häftlingsnummern 3124 und 1042, nahmen den Spruch äußerlich gelassen hin. Doch die dicht gedrängten Zuschauer im Verhandlungsaal, darunter Angehörige von Opfern des Kwangju-Massakers, regierten schockiert und empört. „Mörder, Mörder Chun Doo Hwan!“ riefen einige Demonstranten vor dem Gerichtsgebäude.

Die beiden ehemaligen Präsidenten können innerhalb von sieben Tagen erneut Berufung einlegen – oder darauf hoffen, daß der gegenwärtige Staatschef Kim Young Sam sie begnadigt. Auszuschließen ist eine solche Amnestie keineswegs, denn Roh hatte seinem Nachfolger Kim 1993 zur Kandidatur für das höchste Amt verholfen.

Neben Chun und Roh saßen gestern vierzehn weitere Exgeneräle vor dem Berufungsgericht. Auch ihre Strafen wurden in den meisten Fällen verringert. Die meisten von ihnen hatten in erster Instanz Gefängnisstrafen bis zu zehn Jahren erhalten.

In einem parallelen Verfahren ließen die Berufungsrichter gestern fünf Geschäftsleute laufen. Sie waren im Zusammenhang mit dem Bestechungsskandal um Chun und Roh verurteilt worden, die in ihrer Regierungszeit über 500 Millionen Dollar in geheimen Fonds angehäuft hatten. Der Chef der Firma Daewoo, eine der drei größten Konzerne Süd-Koreas, und der Chef der Hanbo-Gruppe, wurden freigesprochen, drei andere erhielten Bewährungsstrafen. Jutta Lietsch