Der Ruf des Muezzin stört die Christen

In Duisburg-Laar will eine Moschee den Muezzin-Ruf über Lautsprecher erschallen lassen. Die Bewohner sind aufgebracht, ein evangelischer Pfarrer heizt den Streit durch antimoslemische Anzeigen an  ■ Von Thomas Meiser

Hell strahlen in den Fenstern der umliegenden Reihenhäuser die Lichterketten. Doch die rechte vorweihnachtliche Stimmung will an diesem Abend vor dem Pfarrheim der katholischen Kirchengemeinde St. Ewaldi nicht aufkommen. Der Ort steht unter Polizeischutz, Besucher müssen Namen und Anschrift angeben. Die Bürgerversammlung der Duisburger SPD in Duisburg-Laar hat sich eines heiklen Themas angenommen, das seit Wochen die Wogen hochschlagen läßt: Eine Moschee will im nächsten Jahr den muslimischen Gebetsruf über die Dächer der Duisburger Wohnungen erschallen lassen. Überdies noch per Lautsprecher, zunächst einmal täglich während des Fastenmonats Ramadan im Januar sowie anschließend jeweils einmal freitags.

Die Bitte der Moschee ist der Duisburger Stadtverwaltung seit über einem Jahr bekannt. Im Frühling erkundigten sich die Amtsträger, wie der muslimische Gebetsruf in anderen Stadtverwaltungen gehandhabt wird. In Hamm und Dortmund etwa ist die öffentliche Preisung Allahs schon seit drei Jahren selbstverständlich. Rechtliche Bedenken gibt es nicht: Das Grundgesetz gestattet jedem die freie Religionsausübung, vermeintliche Lärmbelästigungen aufgrund des Rufs werden mit Lautstärkebegrenzern gedämpft.

Nachdem sie sich lange zurückgehalten hatten, schalteten sich vor über einem Monat Mitglieder der türkischen Gemeinde öffentlich in die Debatte ein. Das religiöse Grundrecht müsse auch für die 55.000 Duisburger muslimischen Glaubens gelten, heißt es immer wieder. „Die Stadt gibt sich offiziell stets ausländerfreundlich, das kann jetzt praktisch bewiesen werden“, meint etwa Gürsel Dogan, Vorsitzende des kommunalen Ausländerbeirats.

Doch das einträchtige Bild einer verständnisvollen Stadt, das die Verwaltung gerne verbreitet, trügt. Jüngst veröffentlichten städtische Statistiker eine Umfrage, nach der jeder zweite Duisburger der Meinung ist, „daß sich die Deutschen im eigenen Land gegen die vielen Ausländer wehren müssen“. Ähnliche Argumente fallen auch an diesem Abend im Gemeindezentrum der St.-Ewaldi-Kirche. 400 Besucher sind gekommen. „Diese Lautsprecheranlage macht das Leben in unserem Laar unerträglich, und die Wohnqualität würde stark absinken“, sagt ein Frührentner unter Applaus.

Etwa 7.000 Menschen leben in der von Stahlbetrieben und dem Rhein eingezwängten Gemengelage Laar, rund ein Viertel sind Nichtdeutsche. Zum Vertreter für die aufgebrachte Mehrheit hat sich Pfarrer Dieter Reuter emporgeschwungen. Der evangelische Christ führt einen theologisch verbrämten Kreuzzug gegen den muslimischen Gebetsaufruf. Unter dem Motto „Den Muslimen in Liebe begegnen“ schaltete er mit seinen Presbyterianern eine halbseitige Anzeige in der Lokalpresse. Dort ist zu lesen, daß „der muslimische Gott ein Zerrbild des wahren Gottes ist“, demzufolge sei „der Islam eine antichristliche Religion“. Fettgedrucktes Credo der Stellungnahme der evangelischen Freikirche: „Eine multireligiöse und multikulturelle Gesellschaft ist kein biblisch christliches Gebot. Also ist es nicht Sache der Christen, sich für eine islamische Prägung der städtischen Kultur in Duisburg einzusetzen.“ Unter Kollegen gilt der Laarer Pfarrer als „extremer Rechtsaußen“, aber seit Neuestem erfährt seine evangelikal orientierte Gemeindearbeit wesentlich mehr Zulauf.

Im Konflikt um den Muezzinruf hüllen sich die Duisburger Kirchenoberen beider Konfessionen bislang in Schweigen. Nur die örtliche CDU hat sich lautstark zu Wort gemeldet. Für deren Chef, den Bundestagsabgeordneten Horst Günther, „droht in Sachen Gebetsruf die Toleranzgrenze der deutschen Bevölkerung überschritten zu werden“. Solche Äußerungen registrieren die einheimischen Türken mit Sorge. „Zu allem Überfluß wird nicht Öl auf die Wogen gegossen, sondern Benzin ins Feuer“, sagt eine türkische Ärztin im Laarer Pfarrheim. Für Horst Scherschel, den Geschäftsführer der SPD-Mehrheitsfraktion, ist das „Ende der symbolischen Debatte noch nicht absehbar“.

Zwar hat der Rat der Stadt beschlossen, mit den Moscheevereinen und den christlichen Kirchen unter Beachtung der Interessen der Allgemeinheit zu Vereinbarungen zu kommen. „Aber niemand hat gesagt, daß wir schon im Januar soweit sind“, sagt Scherschel. Der zuständige Verwaltungsdezernent für Ausländerfragen, Gerd Bildau, will jetzt für „vorbeugende und umfassende Akzeptanz- und Konsensarbeit“ sorgen. In allen sieben Stadtbezirken wird nunmehr über den Ruf des Muezzin diskutiert. Wohl ähnlich wie in Duisburg-Laar.