Gemeinsam, aber vielfältig

Am Islam-Unterricht in Hamburger Schulen scheiden sich die Geister. Bedrohung des Abendlandes oder Warung der Identität?  ■ Von Volker Stahl

Bedrohung abendländischer Werte oder notwendige Wahrung muslimischer Identität? Beim Thema islamischer Religionsunterricht an Hamburger Schulen scheiden sich die Geister. „Da bin ich skeptisch“, sagt beispielsweise der SPD-Politiker Hans-Ulrich Klose. „Ich befürworte die Integration der moslemischen Mitbürger, aber das schließt doch nicht aus, daß ich die unterschiedlichen gesellschaftspolitischen und religionsphilosophischen Ansätze beider Kulturen sehe und deshalb manche Entscheidungen mit Vorsicht betrachte.“ Das sind weiche Töne, noch vor knapp zwei Jahren sah Klose die „abendländische Kultur“ gefährdet. GAL-Schulpolitiker Kurt Edler kommentierte damals spöttisch: „Da möchte ich zurückblödeln: Auch ohne den islamischen Fundamentalismus befindet sich das Abendland in einem beklagenswerten Zustand.“

Knapp 1700 SchülerInnen in Hamburg erhielten im Schuljahr 1995/96 an 55 Grundschulen von 27 Lehrkräften islamischen Religionsunterricht, seit 1983 wird er in der Hansestadt angeboten. Der Lehrplan ist mit dem türkischen Religionsministerium Diyanet abgestimmt, das mit den Religionsgelehrten und Hodschas zusammenarbeitet. Zu den Unterrichtsinhalten gehören: Kennenlernen der Moschee, der Gebetsablauf, die Reinheitsgebote oder das Erklären islamischer und christlicher Feste. Aber auch Themen des Alltags wie „Umgang der Menschen miteinander“ und „Verwandte in Deutschland und in der Türkei“ stehen auf dem Plan.

Islamische Religionskunde wird in den ersten vier Klassen zwei Stunden pro Woche im Rahmen des fünfstündigen muttersprachlichen Unterrichts von türkischen LehrerInnen angeboten. „Sie sind alle Muslims und haben in ihrem Heimatland Lehrerfahrung erworben“, sagt Oberschulrat Rolf Niemeyer. Und da liegt ein Problem: Viele Schülerinnen und Schüler sind vom Unterricht in türkischer Sprache überfordert. Die meisten sind in Deutschland geboren und leben hier bereits in der dritten Generation. Auch Jugendliche aus Afghanistan oder arabischen Ländern beispielsweise sind von der Vermittlung von Grundkenntnissen über Hadith, Minarett, Mekka und Medina ausgeschlossen.

„Aus diesen Gründen setzen wir uns für einen Religionsunterricht für alle Glaubensgemeinschaften ein“, erklärt Folkert Doedens, stellvertretender Leiter des Pädagogisch-theologischen Instituts. „Es macht wenig Sinn, die Schüler in diesem Fach zu trennen, wo man sonst doch immer von Integration spricht.“ Das Konzept der zur Nordelbischen Kirche gehörenden Einrichtung laute zusammengefaßt: „Schule der Vielfalt in der Gemeinsamkeit“. Über die konkrete Ausgestaltung des „interreligiösen Unterrichts“ wird zur Zeit mit der „Konferenz der Muslime in Hamburg“, einem Zusammenschluß verschiedener nationaler und religiöser Ausrichtungen des Islam, beratschlagt.

Mit der Umsetzung könne frühestens ab dem nächsten Frühling begonnen werden. Doch ob alle Gläubigen dann auch mit dem Ergebnis einverstanden sind, darf bezweifelt werden. Die schiitischen Aleviten, von denen etwa 25.000 in der Hansestadt leben, gehören der „Konferenz der Muslime“ nicht an. Und der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Hakki Keskin, Vorsitzender des „Bündnis' türkischer Einwanderer in Hamburg“, fordert, wie auch der türkische Konsul, den eigenständigen muslimischen Unterricht durch speziell in Islamkunde ausgebildete türkische Lehrkräfte. „Viele türkische Eltern wollen, daß ihre Kinder etwas über den Islam erfahren“; interreligiöser Unterricht könne dies in deren Augen nicht leisten, weiß Keskin. Die Konsequenz: „Dann schicken sie ihre Kinder zum Hodscha in die Islamschulen, die von radikalen politischen Kräften unterwandert sind.“

Zum Thema „Islamischer Religionsunterricht“ hat die Interessengemeinschaft Ausländische Mitbürger in Baden-Württemberg e. V. eine Broschüre herausgegeben. Anschrift: Haussmannstraße 6, 70 188 Stuttgart.