Ampelmännchen müssen leben

■ Im Rahmen der europaweiten Vereinheitlichung soll der Mann mit Hut von den Ost-Ampeln bald ganz verschwinden. Rettungskomitee von Künstlern gegründet

Das westdeutsche Ampelmännchen ist angetreten, dem ostdeutschen Ampelkobold mit seinem spitzen Hut den Garaus zu machen. Die letzten „Geherlein“ und „Steherlein“ aus DDR-Zeiten sollen sterben, weil sie schlicht gegen den europäischen Strichmännchenkodex verstoßen. Das kann doch wohl nicht wahr sein, dachte sich Jörg Davids und gründete deshalb mit Sympathisanten das Komitee „Rettet die Ampelmännchen“.

Die zusammengetrommelten RetterInnen, vierzig an der Zahl, sind weit mehr als nur ein verrückter Spaßhaufen. Ob Künstler, Programmierer, Promovierte oder Diplomierte, allesamt sind sie angetreten, ein Stück DDR-Kultur zu erhalten. Die Stoßrichtung ist klar: Der mörderische Attacke des der Euro-Norm entsprechenden West-Männchens muß Einhalt geboten werden. Hinweg mit dem stocksteifen, extrem nüchternen, noch dazu geschlechtslosen Wessi- Männeken und her mit dem knollennasigen, huttragenden eindeutig mehr Witz besitzenden Ostampelmann.

Die Initiative zieht weite Kreise. Seit das Komitee mit einer eigenen Homepage im Internet vertreten ist, steigen auch Netsurfer in den kritischen Diskurs mit ein, treu dem Motto: Es steht schlecht, reden wir drüber. Die Kommentare geben sich humorvoll-freundlich bis sarkastisch-kriegerisch. Da schreibt Steffen aus Greiz, daß das Ost-Ampelmännchen erhalten bleiben sollte, weil „es durch seine geniale Einfachheit gerade für Kinder besser verständlich ist“. Jörg möchte ganz Unglaubliches: „Laßt das Ampelmännchen leben und baut die Mauer auch wieder auf.“ Dann müsse es keine Angst vor den EU-Bürokraten haben. Ein selbsternannter Ché gibt sich klassenkämpferisch: „Das Ampelmännchen lebt. Nieder mit den imperialistischen westdeutschen Verkehrsleuchtern!“ Und Gwendoline appelliert an unser tiefstes Mitgefühl, wenn sie über das Ampelmännchen schreibt: „Es kann nicht hören, es kann nicht sehen, nicht sprechen. Aber es lebt in unseren Herzen, in der Ampel, und Lebewesen tötet man doch nicht.“

Die Kampagne „Rettet die Ampelmännchen“ geht weiter. Anfang nächsten Jahres soll ganz Europa für den putzigen Kerl mobilisiert werden, sagt Komitee-Gründer Jörg Davids. In einer Ausstellung möchte er sämtliche Ampelmännchen Europas vereinigen und damit deren Autonomieanspruch ins Licht der Öffentlichkeit rücken. Dietmar Neuerer