■ Nebensachen aus Madrid
: Billig, unnütz und schnell kaputt – gekauft!

Eine Schere, die noch nicht einmal Papier schneidet, Nagellack, der von vornherein zu zähflüssig zum Auftragen ist, und ein Föhn, vor dem sogar im Fernsehen gewarnt wird, weil er nach fünfzehn Sekunden anfängt zu brennen: Das alles bekommt man in Spanien in einem sogenannten „Alles für 100“-Laden. Gemeint sind 100 Peseten, umgerechnet rund 1Mark 20. Ein verlockendes Angebot, vor allem, wenn man die vollgestopften Regale dieser Läden sieht. Da liegen bunte Gummifiguren neben Billigparfümflaschen, hängen Plastikkuckucksuhren neben Bestecksortiments, stehen Putzmittel neben Pornovideos. Kitsch pur können die KundInnen hier erwerben. Aber auch ganz normale Artikel, wie etwa ein Dreißigerpack Briefumschläge, kosten hier nur rund ein Drittel des normalen Kaufhauspreises.

Hat der Neugierige den Laden erst einmal betreten, findet er garantiert etwas, was er zwar nicht notwendigerweise braucht, aber immer schon einmal kaufen wollte. Und bei solch niedrigen Preis sinkt die Kaufhemmschwelle erheblich schneller. Der eine oder andere kommt sogar vorbei, weil er etwas Bestimmtes braucht. Die Dame, die nach genau dem Billigparfüm riecht, das hier angeboten wird, verläßt den Laden glücklich mit den gesuchten Nylonstrumpfhosen. Eine Großmutter zerrt ihren Enkel in Richtung Plastiktiere, denn was ist leichter, als für 100 Peseten die ewige Nörgelei zu beenden.

Besonderen Andrang gibt es, wenn im sonst sonnigen Madrid die Wolken heftige Regenschauer entladen: Denn auch Regenschirme gibt es hier für ganze 1 Mark 20. Doch Vorsicht ist geboten. Nicht alle Artikel kosten nur 100 Peseten. Auf Tortillapfannen, funktionierenden Uhren oder Kerzenständern aus farbigem Glas klebt schon mal ein Preis von 300 oder 500 Peseten.

Rund 15.000 Artikel werden in einem 100-Peseten-Laden pro Woche abgesetzt – laut Schätzungen, denn die meisten Besitzer reden nicht gern darüber, wieviel sie so verkaufen. Dafür aber haben sie einen genauen Überblick darüber, was man in ihren Läden erwerben kann, auch wenn es tausend verschiedene und immer wieder andere Artikel sind. Auf Fragen der KundInnen hin führen sie diese zielstrebig durch die engen, vollgepackten Gänge zum Gesuchten.

Die meisten Artikel stammen aus Restbeständen von Serienproduktionen und werden direkt ab Fabrik geliefert. Aber auch bei einer Ladenauflösung schlagen die „Alles für 100“-Besitzer gern zu. Mittlerweile haben einige Fabriken eigene Produktionszweige für die Billigwaren eingerichtet. Noch sind die 100-Peseten-Läden in Spanien ziemlich neu. Doch sie vermehren sich rapide.

Einige von ihnen allerdings halten sich zwar an die 100-Peseten-Preisschilder, verstehen darunter aber etwas anderes. So wurde die Polizei neulich auf einen Laden aufmerksam, dessen KundInnen bis auf die Straße Schlange standen. Es stellte sich heraus, daß sie alle das unglaubliche Angebot wahrnehmen wollten, für 100 Peseten pro Minute Telefongespräche ins Ausland zu führen. Das Sonderangebot hatte leider einen Haken: Die benutzten Mobiltelefone waren geklaut. Alexa Meyer