Betr.: Jemen

Bis vor wenigen Jahren waren Armenviertel vor den Toren größerer Städte in der Republik Jemen nahezu unbekannt. Mit dem irakischen Einmarsch in Kuwait am 2. August 1990 hat sich das geändert. Als damaliges Mitglied im UN-Sicherheitsrat hatte sich der im Mai desselben Jahres vereinigte Jemen für eine Lösung des Konflikts ohne westliche Einmischung ausgesprochen. Die UN-Resolution 678, die einen Militäreinsatz gegen den Irak erlaubte und Grundlage für die „Operation Wüstensturm“ werden sollte, trug die jemenitische Regierung nicht mit. Saudis und Kuwaitis waren über diese „Parteinahme“ für Saddam Hussein derart aufgebracht, daß sie innerhalb weniger Monate rund eine Million jemenitische Arbeitsmigranten einschließlich ihrer Familien zur Ausreise zwangen; sie behielten Vermögenswerte ein und sperrten die Konten jemenitischer Inhaber bei saudiarabischen Banken. Daß der Jemen auf diplomatischem Weg bemüht war, einen irakischen Rückzug zu erreichen, weigerten sich die Öl-Herren zur Kenntnis zu nehmen.

Für das Land mit seinen damals rund 13 Millionen Einwohnern war die Flut der Ausgewiesenen eine Katastrophe; nicht nur weil fortan Überweisungen in Höhe von über einer halben Milliarde US-Dollar wegfielen. Es gab weder Wohnraum noch Jobs für die Rückkehrer. Glück hatte, wer in die Sicherheit seiner Familie zurückkehren konnte oder von entfernten Verwandten mitversorgt wurde. Zahlreiche „Gastarbeiter“ hatten diese Bande jedoch nach Jahrzehnten im Ausland verloren. Andere kehrten gar nicht erst in ihre Dörfer zurück, weil sie wußten, daß sie dort kein Auskommen finden würden.