Die Mexikanisierung Asiens?

Drei Gegengipfel gegen das pazifische Wirtschaftstreffen auf den Philippinen kritisieren das Freihandelsstreben der Staatsoberhäupter  ■ Aus Manila Jutta Lietsch

„Apec means business“, verkünden die Banner entlang des großen Roxas-Boulevards an der Bucht von Manila. Die Abendbrise läßt das Smog-Barometer an der Straße von „schlecht“ auf „annehmbar“ klettern. Frachter dümpeln vor dem roten Sonnenaufgang. Doch die zum vierten Treffen der asiatisch-pazifischen Wirtschaftskooperation (Apec) angereisten Politiker, Wirtschaftsbeamten und Manager haben kaum Gelegenheit, den Anblick zu bewundern – so rasch gleiten ihre Autos auf den extra freigehaltenen „Freundschaftsspuren“ dahin.

Ihre Verhandlungen über gemeinsame Schritte zur Liberalisierung des Handels in der Region laufen schleppend. Dabei reden die Pazifikanrainer über 56 Prozent der Weltproduktion und 46 Prozent des Welthandels. Bis Montag muß ein Ergebnis gefunden werden, das US-Präsident Bill Clinton, der Chinese Yiang Zemin und ihre 16 Amtskollegen der Öffentlichkeit als „großen Fortschritt für den Freihandel“ verkaufen können.

Genau das wollen die VertreterInnen von rund 300 ausländischen und über 100 philippinischen Umwelt-, Frauen-, Bürgerrechts- und Gewerkschaftsgruppen (NGO) verhindern, die sich nicht weit vom Konferenzzentrum im riesigen Manila-Midown-Hotel versammelt haben. Insgesamt finden an verschiedenen Orten der Philippinen drei Gegenkonferenzen statt: Die lokalen NGOs sind zahlreich und zersplittert. Hauptkritik des „Manila-People's Forum on Apec“ an der anvisierten Freihandelszone am Pazifik: Die Regierungen verhandeln hinter verschlossenen Türen über die Senkung von Zöllen und über freien Fluß von Investitionen und Gütern.

Vor allem die USA wollen erreichen, daß sich die Apec formale Handelsregeln gibt, die – entsprechend der nordamerikanischen Nafta zwischen Kanada, den USA und Mexiko – bindend sind. Nationale Gesetze, ökologische und gewerkschaftliche Schutzbestimmungen wären dann untergeordnet – oder müßten als „Handelshemmnisse“ aufgegeben werden, fürchten die Kritiker.

„Das ist undemokratisch!“ sagt die amerikanische Bürgerrechtlerin Lori Walach und verweist auf die Erfahrungen, die Mexiko mit diesem Freihandelsregime gemacht hat: Als ärmstes Land hat es vor allem billige Arbeitskräfte zu bieten – aber auch eine schwache Opposition. Folge: Immer mehr „schmutzige Produktionszweige“ werden aus den USA über die Grenze nach Süden ausgelagert. So wird es auch in Asien sein, fürchtet Walden Bello, philippinischer Wissenschaftler und Mitinitiator des „Manila People's Forum on Apec“. Die Ausbeutung billiger Arbeitskräfte und vor allem der Raubbau an den asiatischen Regenwäldern und die verstärkten Aktivitäten der großen Minengesellschaften sind für ihn nicht zu vermeiden.

Daß die Apec-Regierungschefs in ihren Erklärungen nicht von „Mitgliedstaaten“, sondern beharrlich von „Mitgliedökonomien“ sprechen, ist nach Ansicht von Bello kein Zufall. In den angestrebten Freihandelsregelungen ist kein Platz für sozial-, gewerkschafts- und Umweltklauseln.

Diese Trennung von Wirtschaft und demokratischen Entscheidungsrechten könne dazu führen, daß es für die Regierungen beziehungsweise ihre Parlamente – keine Möglichkeit gibt, ihre Umwelt und Bevölkerung gegen ausländische Investoren zu schützen. Für die Gegner der Apec ist die Freihandelszone ein Freibrief, besonders für jene Großunternehmen, die bereits heute wirtschaftlich mächtiger sind als viele Staaten: Der Umsatz der Zigarettenfirma Philip Morris ist größer als die gesamte Wirtschaftsleistung von Malaysia, Toshiba größer als Chile.

Aus der Erfahrung mit Nafta haben die Apec-KritikerInnen gelernt. Trotz aller Versprechungen hat der Freihandel nicht mehr Jobs und mehr Geld gebracht, sondern einen rapiden Verlust der Arbeitsplätze. Heute ist die überwiegende Zahl der Bewohner der Nafta- Länder gegen die Handelszone. Deshalb gibt es, um Apec zu verhindern, nach Ansicht der erprobten amerikanischen Lobbyistin Lori Wallach nur einen Weg: „Wir müssen uns an die alte Drakula- Regel halten – alles ans helle Tageslicht bringen.“