Kunstanspruch rules o.k.

Siebdruck zum Hochglanz: Weil ihr Studium langweilt, haben Jan Hülpüsch und Kat Menschik das Comicmagazin „A.O.C.“ herausgebracht  ■ Von Thomas Winkler

„Ich war nie ein Comic-Freak“, sagt Jan Hülpüsch. Und auch Kat Menschik interessiert sich nicht sonderlich für Bildergeschichten mit Sprechblasen. Trotzdem bringen die beiden ein Comicmagazin heraus. Oder sie nennen es zumindest so. Es trägt den Titel A.O.C. nach dem französischen Qualitätssiegel für Weine, und schon beim Durchblättern der bisher veröffentlichten Ausgaben zeigt sich der Unterschied zu Marvel-Heftchen.

In edlem Siebdruck werden selten nur Stories erzählt, eher schon Träume. Türmen sich symbolistische Collagen, steht das Spiel mit Industrial-Ästhetik neben Mr. Cool, der bei seiner Suche nach dem Sommerloch auf obszöne Abwege gerät. Kunstanspruch rules o.k., aber vor allem, sagt Kat, „geht es ums Bildermachen“. Obwohl keiner der beiden Macher seine Kindheit mit Comics verbrachte, entstand die Idee zu A.O.C. im gelobten Land des Genres, in Frankreich. Die 28jährige Menschik weilte ein Jahr als Austauschstudentin an einer Pariser Kunsthochschule. Doch die war so „sauschlecht, daß ich mir irgendwas zu tun suchen mußte“. Als der ein Jahr ältere Hülpüsch seine Freundin für drei Monate besuchte, brachte die schon längst mit drei deutschen Kommilitonen Spunk heraus. Ein monatliches Heft in Miniformat und -auflage. Mit dem fotokopierten Spunk erreichte man eine gewisse Berühmtheit im lokalen Underground. Das Heft loszuschlagen und so die nächste Ausgabe zu sichern war nie ein Problem.

Zurück in Berlin, wo die beiden Visuelle Kommunikation an der HdK studieren, war relativ schnell klar, daß man die Idee fortführen wollte. Diesmal sollte es allerdings „was Schickeres“ sein, meint Hülpüsch: Ein serigraphisches Magazin, also im Siebdruck hergestellt, denn schließlich „geht es um die haptische, die bildnerische Qualität“. Die ist nicht nur ihnen wichtig, sondern der Hauptgrund, daß man neben Freunden auch bekanntere Namen ins Heft bekommen hat. Für die kommende Ausgabe, die hoffentlich zu Weihnachten erscheint, konnte Anke Feuchtenberger gewonnen werden.

Das Format wurde etwas größer als das französische Vorbild. Mit DINA5 hat es aber „seine Handlichkeit behalten“. Ihren Verlag gründeten sie mit 100 Mark Eigenkapital, Menschiks Untermieter besitzt zum Glück ein Faxgerät, und ein Name war auch irgendwann gefunden: „Millionen-Verlag“. „Kann man sich gut merken“, sagt Menschik, „und jeder fragt nach: Meint ihr die Schulden?“

Für die erste Ausgabe mußten „Freunde schon mal 50 Mark rüberschieben“. Irgendwie kamen die 1.500 Mark Materialkosten für die 100er-Auflage auf jeden Fall zusammen. Drucken konnten sie in der HdK, der Rest war Arbeit. Drei bis vier Monate geben sie pro Ausgabe dran für Vorbereitung, Organisation, das Zeichnen der eigenen Strips, Montieren, Drucken und Heften. Würden sie den Druck in Auftrag geben, lägen die Produktionskosten schnell bei 5.000 Mark. Auch durch eine größere Auflage lassen sich die Kosten nicht senken, da ist der Siebdruck vor. So bleibt A.O.C. mit seiner „wirtschaftlich idiotenmäßig kleinen Auflage“ notgedrungen ein Objekt der Liebhaberei. Aber, meint Hülpüsch, „Kunst ist schließlich immer elitär“.

Vor allem ist der Kleinverlag für Menschik und Hülpüsch ein Spielzeug, um dem Trott des Studiums zu entfliehen. „Man macht seine kleinen Basteleien“, hat Kat erkannt, „und hat doch keine Richtung.“ Überhaupt haben die beiden, die ihr Studium an der Fachschule für Werbung und Gestaltung in Schöneweide begannen, einiges an Euphorie verloren. „Graphik war keine Wahl unter vielen im Osten“, erzählt Hülpüsch und will damit sagen, im Westen sei das eben anders. „Im Osten hat man im Zimmer gesessen und für die Schublade und sich selbst gearbeitet. Man konnte ohne ökonomische Zwänge reifen, so wurde der Nachteil zum Vorteil.“

Nun nutzen sie die Möglichkeiten so weidlich, daß es bereits eine lange Warteschlange an KünstlerInnen gibt, die sich auch ohne Honorar in A.O.C. gedruckt sehen möchten. „Der Mythos ist schon geschaffen“, lacht Menschik. Eine erste Kritik aus berufenem Munde bestärkte sie in ihrer Linie: Für das zweite Heft strich ihnen die Farbenfirma den Rabatt, nachdem sie die erste Ausgabe mit der Bitte um Sponsoring zum bayerischen Firmensitz geschickt hatten.

Die A.O.C.-Hefte 1 und 2 haben je 48 Seiten und kosten 28 DM. Sie sind erhältlich in Bücherbogen, Grober Unfug, Artificium (Hackesche Höfe), Modern Comics u.a. oder direkt über Millionen, Kastanienallee 83, 10435, Fax 4481964