Netzstationen zu Brutkästen

Ausgediente Trafohäuschen werden als Fledermausquartiere fitgemacht. Hornissen oder Kröten sind auch willkommen  ■ Von Ulrike Winkelmann

Wenn sich in dem ehemaligen Trafohäuschen so viele Schleiereulen, Hornissen, Schwalben, Wespen, Igel, Amphibien und nicht zuletzt Fledermäuse ansiedeln, wie Harald Köpke hofft, dann wird dort früher oder später das Ordnungsamt einschreiten müssen, um den Folgen dieser Überbevölkerung – Massaker, Kindstode etc. – Herr zu werden.

Bislang jedoch ist das Backsteinklötzchen auf einem Feld am Siedenfelder Weg in Wilhelmsburg – nicht größer, aber höher als ein Kiosk – bis auf ein paar Mäuse noch ziemlich leer. Die Zivis beim Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) basteln dort Schleiereulenhäuser und hauen Löcher in die Wand, damit die Fledermäuse merken, wo sie hineinschlüpfen sollen.

Das, erklärt Köpke, Vorstandsmitglied beim BUND, werden sie bald tun. Denn die langohrigen, lautlosen und liebenswerten InsektenvernichterInnen wissen, wo sie willkommen sind, und „so 300 Fledermäuse passen hier schon rein“. Zugegebenermaßen sei das eine euphorische Schätzung, vielleicht würden es nur ein Dutzend. Aber die Gegend, „mit diesem malerischen Brack ringsum“, sei wie geschaffen für die seltenen Wasserfledermäuse. „Garantiert wird auch die Rauhhautfledermaus einziehen“, die es sich erst kürzlich auch in seiner Garage gemütlich gemacht habe. Noch allerdings „ist unklar, ob das Häuschen frostfrei ist“, wenn nicht, wäre es lediglich als Fledermaus-Sommerquartier zu gebrauchen. „Ein Winterquartier gibt's in Wilhelmsburg aber schon“, in einem alten Bunker.

Das Trafohäuschen ist das erste von acht in ganz Hamburg, das die Hamburgischen Electricitätswerke (HEW) dem BUND zur Verfügung gestellt haben, damit er dort einen Rückzugsort für Getier aller Art schaffe. Die HEW brauchen einige Dutzend alter Netzstationen, die teilweise hübsch genug für den Denkmalschutz wären, nicht mehr und ersetzen sie durch wesentlich kleinere Umspannungskästen. „Der Draht der HEW zum BUND“, prahlt Thomas de Vries, Bauingenieur beim nicht unbedingt für umweltpolitisches Engagement bekannten AKW-Betreiber und Stromkonzern, „ist kurz“, und die Zusammenarbeit sei erfolgreich.

Möglich war die Ausrüstung des Umspannungshäuschens zum multifunktionalen Kleintierfreigehege allerdings auch durch die tausend Mark, die die Frauen vom „Stöberstübchen“ der St. Raphael Kirchengemeinde in Wilhelmsburg gesammelt haben.

Und nicht nur die Schleiereulen, die Schwalben und die Fledermäuse leiden unter Wohnungsnot. Ganz Wilhelmsburg-Ost, wo sich in Gräben, auf Wiesen und im Gesträuch viele seltene Flora- und Fauna-VertreterInnen tummeln, steht unter des Senats handgetöpfertem ökonomischen Verwertungsdruck. Von Bebauungsplänen droht sozialer Wohnungsbau der Ghettosorte, und die Wirtschaftsbehörde will Gemüse-Intensivanbau fördern: Eine geschlossene, pestizidverseuchte Salatkopf-Bodendecke statt Natur.

Die Fledermäuse, die sich mangels alter Bäume mit Baumhöhlen gerne in ruhigen Gebäuden zum Schlaf aufhängen, haben es in Hamburg besonders schwer. Obwohl Umweltsenator Fritz „Fritzman“ Vahrenholt noch im vergangenen Jahr sein Bat-cape umgeschwungen und sich für eine Zwergfledermauskolonie in einer Ahrensburger Garage starkgemacht hatte (taz berichtete begeistert), haben die AutofahrerInnen und ParkplatznutzerInnen dort nun den Kampf gewonnen und dürfen den tapferen kleinen Flugdrachen wieder ihre Ruhe rauben.

„Vielleicht finden die ja ihren Weg hierher“, strahlt Umwelt- und Naturschützer Köpke. Schließlich seien Fledermäuse gute Wanderer und flögen zwecks Überwinterung manchmal auch bis nach Bad Segeberg oder in den Harz.