■ Vorschlag
: Zerstören, sagt sie – Retrospektive zu Marguerite Duras im Arsenal

Marguerite Duras gehört zu den Regisseurinnen, die die Grammatik des Kinos erneuert haben. Wenn das Licht im Saal ausgeht und die Vorführung beginnt, geht es in ihren Filmen darum, das gewohnte Zusammenspiel von Bild und Ton neu zu organisieren und einen eigenständigen audiovisuellen Raum zu schaffen. Entdecken kann man die Arbeiten der dieses Jahr gestorbenen Schriftstellerin in einer umfangreichen Retrospektive, die neben eigenen Werken und Filmen, zu denen Duras das Drehbuch schrieb, zwei Filme über die Autorin zeigt.

Da ist zunächst das visuelle Material: In ihrem zweiten Film „India Song“ (1975), einer Liebesgeschichte in den unwirklich-pompösen Räumen der französischen Botschaft von Kalkutta, sind es die unbeweglichen, langen Einstellungen, die die Dinge und Menschen erstarren lassen. Zeit wird hier fühlbar gemacht, nicht in der Montage versenkt. Die radikalen, antierzählerischen Schnitte machen die Illusion von Kontinuität sichtbar. In „Agatha – oder die unbegrenzte Lektüre“ (1981) setzt Duras erstmals Schwarzbilder – „passages au noir“ – ein, um noch das Intervall zwischen den Bildern wahrnehmbar zu machen. Auch in „L'Homme atlantique“ und „Aurelia Steiner“ (1979) bleibt die Leinwand stellenweise schwarz. Duras spricht öfters von den Löchern des Vergessens oder der Abwesenheit, die sie gegen die Illusion einer lückenlosen Wirklichkeit (im Kino) einsetzt. „Die ärmsten Filme sind die mit zweitausend Einstellungen ... soviel Mühe und Arbeit, um bei einer solch lähmenden Atmosphäre anzukommen“, sagt sie einmal. In „Le Camion“ (1977), der die Geschichte einer Frau im Off erzählt, ist der Lastwagen das Transportmittel der Geschichte, die Fahrt durch winterliche Pariser Vororte zum Meer ist zugleich eine Fahrt weg von der Darstellung der Geschichte in schönen Filmbildern. Die eigentliche Erfindung von Duras aber ist der radikale Einsatz des „Akusmeters“, d. h. von nicht synchronisierten Tonquellen, die man hört, aber nicht sieht. Neben der visuellen Welt der unbeweglichen, manchmal trancehaften Einstellungen entfalten sich so, besonders faszinierend in „India Song“, im Off eigenständige Hörbilder aus Stimmen, Geräuschen und Musik. Annette Sonic Weber

Marguerite Duras – Retrospektive, bis 7. 11., im Arsenal.