■ Malaysias tropischer Regenwald wird immer noch im Raubbau abgeholzt – anderen Behauptungen zum Trotz
: Miese Arbeit der Grünwäscher

Gara Jalong war auf dem Weg zu einer Sitzung der internationalen Tropenholzorganisation in Yokohama. Doch der aus Sarawak stammende Kritiker des Raubbaus am Regenwald seines Landes kam nicht weit. Am Flughafen wurde ihm der Paß abgenommen. In Malaysia, dem größten Tropenholzexportland der Welt, dürfen die Bäume reisen – die Menschen nicht. Statt dessen reisen manche unfreiwillig. Zum Beispiel der Geo-Reporter Rolf Bökemeier oder die ips-Korrespondentin Leah Palma Makabenta. Beide mußten das Land verlassen, weil ihre Berichte der Regierung zu negativ ausfielen. Das Innenministerium in Malaysia warnt: „Die Weitergabe falscher Berichte an ausländische Medien könnte als Verrat angesehen werden.“

Auf Verrat steht in Malaysia die Todesstrafe. Diese müssen Journalisten wie Michael Miersch und Thomas Weidenbach nicht fürchten. Sie kritisieren nicht die Menschenrechtsverletzungen und Zerstörung der Tropenwälder – sondern die, die sich dagegen wehren.

Sarawak, Malaysia, 19. Oktober 1996: Sieben Menschen vom Volk der Iban werden bei dem Versuch verhaftet, friedlich gegen die Invasion einer Holzfirma zu protestieren. Einige Wochen zuvor walzten die Bulldozer der Firma Samling Timber die Felder des Dorfes Long Ajeng nieder. Seit Jahren fordern Bürger aus Borneo die Bürger in Europa auf: „Baut eure Häuser nicht aus unserem Wald!“ Sie fordern es heute mehr denn je.

Michael Miersch meint hingegen, daß sie nun endlich Ruhe geben könnten. Schließlich hätten sie bereits „im vollen Federschmuck auf allen Podien Deutschlands gesessen“. Wider besseres Wissen spricht er von einigen hundert Waldbewohnern, die nur eine Minderheit repräsentierten. In den Wäldern Malaysias leben jedoch 300.000 Menschen, deren Rechte im Namen des Wachstums mit Füßen getreten werden.

Verkehrte Welt: Deutsche „Umweltjournalisten“ blasen mit der Industrie gemeinsam ins Horn. „Ein solides Stück Aufklärung“ nennt Miersch den TV-Film „Tropenholzboykotteure auf dem Holzweg“ von Thomas Weidenbach. Dessen zentrale Aussage lautet: In Malaysia weht jetzt der Wind der „Nachhaltigkeit“; Konsumenten sollen diese durch den Kauf von Tropenholz unterstützen. Das tun deutsche Städte wie Hamburg oder Krefeld auch längst wieder – jedoch ohne Rücksicht auf die Herkunft des Holzes.

Gekauft wird, was billig ist. Die malaysische Holzindustrie ist begeistert. Sie hat die PR-Agentur Shandwick beauftragt, das angekratzte Image des Raubbauholzes in Europa wieder auf den grünen Zweig zu bringen. Jubeljournalisten unterstützen sie dabei. Beispielsweise bei Diskussionen, die die PR-Agentur mit Baumärkten organisiert. Wahrscheinlich hat Miersch nicht gewußt, daß die Veranstaltung ein PR-Coup der Holzlobby war. Ebensowenig wußte er offenbar, daß der MTC, der den malaysischen Holzhandel managt, eine Schulversion seines Films finanziert.

Alles nur eine miese Unterstellung?! Von der „unberührten Hoheit“ des Autors über den Inhalt des Schulfilms ist jedenfalls nicht mehr viel zu spüren, wenn das zuständige Filminstitut die PR- Agentur bittet, „die brisanten Passagen gegenzuchecken“; schließlich soll auch noch Dr. Leng vom MTC „sein Okay geben“.

Aber nicht die Tatsache, daß die Industrie das Lehrmaterial für unsere Schulen finanziert und inhaltlich mitbestimmt, alarmiert die Journalisten. Die Gefahr lauert in ihren Augen woanders: Es sind die Umweltgruppen, die „geistigen Giftmüll“ (Miersch) produzieren. In der Tat: Sie sind eine Bedrohung – für Holzhändler und Politiker, die sich weltweit am Raubbau bereichern. Sie zittern inzwischen so sehr, daß sie die größte Meinungsagentur der Welt für den Kampf gegen die Umweltbewegung engagieren. Miersch tut hingegen so, als würden Umweltschützer die Meinungsfreiheit bedrohen. Das Gegenteil trifft zu. Stimmungsmacher wie Shandwick (2.000 Mitarbeiter, 250 Millionen Mark Umsatz) gefährden die demokratische Diskussion.

Wenn überhaupt, sind die weltweiten Bemühungen um sogenannte „Nachhaltigkeit“ ein Verdienst der Umweltgruppen. „Der internationale Druck auf Malaysia bewirkt immerhin, daß die Versäumnisse in der Waldpflege jetzt offener diskutiert werden“, schrieb Miersch noch vor drei Jahren in natur. Wes Brot ich ess', des Lied ich sing'? Offensichtlich. Inzwischen arbeitet er unter anderem an dem Magazin Change des Chemiekonzerns Hoechst. Was seiner Polemik gegen die „Dschungelkämpfer“ endgültig den Boden wegzieht, ist, daß es die sogenannten „Boykotteure“ überhaupt nicht gibt. Den Holzhändlern brach bereits 1989 der Schweiß aus, als sie feststellten, daß Umweltgruppen keinen generellen Boykott, sondern Holz aus naturnah bewirtschafteten Wäldern fordern. In einem Sitzungsprotokoll der deutschen Holzimporteure heißt es: „Diese Entwicklung ist außerordentlich gefährlich. Eine strikt gehandhabte Nachweispflicht würde zu einem vollständigen Importverbot für Tropenholz führen.“

Soll nun den Umweltgruppen in die Schuhe geschoben werden, daß Tropenholz immer noch zu 99 Prozent aus Raubbau stammt? Und daß bis heute der Nachweis fehlt, eine „nachhaltige Holzgewinnung in tropischen Regenwäldern“ sei möglich? Eine Szene in Weidenbachs Film bleibt im Gedächtnis: Sanft schweben Baumstämme mit einem Hubschrauber aus dem Wald. Ist helicopter logging nun eine besonders umweltschonende Methode? Mitnichten. Die Hubschrauber werden dort eingesetzt, wo Bulldozer nicht hinkommen: an Steilhängen. Selbst der WWF Malaysia kritisiert: „Es ist nicht wahr, daß Abholzung mit Hubschraubern die Umwelt schont.“

Umweltgruppen unterstützen sehr wohl zukunftsweisende Initiativen in den Tropen. Zum Beispiel in Papua-Neuguinea, wo Gemeinden ihren Wald selbst bewirtschaften, um ihn gegen die malaysischen Holzkonzerne zu verteidigen. Solche Beispiele ermutigen und müssen unterschieden werden von den Grünwäscherkampagnen der Holzindustrie. Thomas Weidenbach gibt vor, mit seinem TV-Beitrag eine bessere Waldwirtschaft zu fördern. In Wahrheit redet er die Wirklichkeit grüner, als sie ist.

Soll man nun wegsehen und sich selbst belügen? Mitnichten. Optimistisch stimmt nur eines: Die Arbeit von Umweltschützern scheint derart wirkungsvoll, daß die Tropenholzlobby ihr millionenschwere Meinungskampagnen entgegensetzt.

Susanne Breitkopf