■ Wirbel um Nahostreise des französischen Präsidenten
: Chiracsche Knalleffekte

Über Mangel an Knalleffekten in Jacques Chiracs Außenpolitik kann man sich wahrlich nicht beklagen. Seit der Neogaullist im Mai vergangenen Jahres in den Elysee-Palast einzog, hat er reihenweise Länder und Regierungen brüskiert: Er fing mit dem Südpazifik an, den er zum französischen Atomtestgebiet degradierte. Dann ließ er europäische Staaten wie Italien und Finnland, die seine Politik zu kritisieren gewagt hatten, abblitzen. Und jetzt fährt er nach Israel, um dort schreienderweise und mit hochrotem Kopf Nachhilfeunterricht in Demokratie zu erteilen.

Inhaltlich hat Chiracs Nahosttournee nichts Neues gebracht. Der französische Präsident bestätigte, was ein großer Teil der Welt denkt: Die israelische Regierung ist verantwortlich für die jüngsten Gewaltausbrüche in der Region. Und er verlangte, was die Europäische Union bereits seit Monaten verlautbart: Der Friedensprozeß muß fortgeführt werden, Israel muß sich aus den besetzen Gebieten zurückziehen, und die palästinensische Autonomie muß zur Entwicklung eines eigenen Staates führen.

Chirac allerdings wollte mehr: Ihm ging es darum, den USA die Rolle als (potentielle) Friedensstifter im Nahen Osten streitig zu machen und Europa eine „Kopatenschaft“ bei den Verhandlungen zu geben. Doch für dieses „Kernstück“ seiner Nahosttournee fehlt ihm jede Legitimation. Die EU ist weit von einem derartigen gemeinsamen außenpolitischen Schritt entfernt. Und sie hat schon gar nicht den französischen Präsidenten beauftragt, im Nahen Osten zu vermitteln. Statt dessen wurde Anfang dieses Monats der amtierende Ratspräsident und irische Außenminister Dick Spring in die Hauptstädte der Region geschickt. Der sprach ganz minimalistisch von einer „Partnerschaft mit den USA“.

Chirac war ganz allein unterwegs. Und statt zu beweisen, daß Frankreich als potentieller Friedensstifter in Frage käme, hat er das Gegenteil getan. Er hatte die historische Chance, als erster ausländischer Staatschef vor beiden Parlamenten zu sprechen – und entschied sich allein für das palästinensische. Er hatte die Gelegenheit, beide Seiten zu treffen und profilierte sich doch nur als wortreicher „Freund der Araber“. Chirac hat viel Lärm gemacht. Seine Reise zeigt, daß Euopa immer noch nicht in der Lage ist, eine den USA ebenbürtige Rolle zu spielen. Dorothea Hahn