Christliche Liebe, unchristliche Folgen

■ Bistum Trier kündigte fristlos schriftstellerndem Lehrer

Mainz (taz) – Er ist Lehrer. Er ist einsam. Die Sehnsucht nach Liebe und Zärtlichkeit treibt ihn in die Arme käuflicher Frauen. Doch wie schon der Buchtitel verrät: Nutten küssen nicht. Auch die erotischen Abenteuer mit seiner sexbesessenen Nachbarin geben ihm nicht das, was er sucht. Schließlich begegnet er seiner großen Liebe, einer Schülerin. Die Beziehung muß scheitern; der Held sterben; bei silbernem Mondlicht. Freier Abgang aus einer kalten Welt.

Autor dieser Geschichte, die eben im Berliner Frieling-Verlag erschien, ist Carsten Freytag, Gymnasiallehrer in Koblenz. Sein Abgang aus dem Schuldienst ist nicht ganz so frei. Vier Jahre unterrichtete der 37jährige am Bischöflichen Cusanus-Gymnasium Deutsch und Englisch. Sein Arbeitgeber, das Bistum Trier, hat ihm nun fristlos gekündigt: Der Roman stelle christliche Werte in Frage, als Lehrer an einer katholischen Schule sei er untragbar.

Daß der Roman mit christlichen Wertvorstellungen unvereinbar sei, weist Freytag, der nun gegen die fristlose Kündigung klagt, zurück. In seinem Buch sei „mehr als nur Sex drin“: Es sei „gesellschaftskritisch“, zeige die Zerrissenheit eines Mannes zwischen „käuflicher und romantischer Liebe“. Wer in diesem Buch Pornographie sehe, habe es falsch gelesen.

Daß die Lektüre seines Erstlings Katholiken die Schamesröte ins Gesicht treibt, ist nicht weiter erstaunlich. Denn mit Liebe zum Detail schildert der Autor üppige Bordell- und Bettszenen. Über die Qualität von Literatur läßt sich streiten. Über Kunstfreiheit nicht. Doch Freytags Anwalt bewegen andere Fragen. Das Buch, so der Rechtsanwalt, sei „hochgradig von christlicher Ethik geprägt“. Ganz im Unterschied zur fristlosen Kündigung, die sei „unchristlich“. Wie Freytag sich den Sündern zuwende, um sie auf den Weg Gottes zu bringen, sei beispielhaft.

Das Land Rheinland-Pfalz will sich zum Fall Freytag nicht äußern, da es gegenüber kirchlichen Schulen keine dienstrechtlichen Befugnisse hat. Von einer Sprecherin des Kultusministeriums ist nur Grundsätzliches zu erfahren: Der Kunstfreiheit von Lehrern seien – auch in staatlichen Schulen – Grenzen gesetzt. Ein Lehrer habe „Vorbildfunktion“ und könne nicht schreiben, was er wolle. Diese Erfahrung machte im letzten Jahr auch ein Coburger Lehrer, der im Berliner Aufbau-Verlag einen Roman veröffentlichte. „Schülerinnen könnten es als belastend empfinden, von einem Lehrer unterrichtet zu werden, dessen Phantasie von Obszönitäten gesättigt erscheint“, sorgte sich das bayerische Kultusministerium. Doch die Maßregelung blieb ohne größere Folgen.

Der Fall Freytag ist komplizierter. Denn über die Frage, ob die Freiheit der künstlerischen Betätigung – sei diese auch noch so dürftig – auch für Lehrer uneingeschränkt zu gelten hat, diskutiert man in Koblenz nicht. Und auch nicht darüber, ob in den staatlich finanzierten katholischen Privatschulen weiterhin kirchliches Sonderrecht gelten darf. Marion Mück-Raab