■ Mit Naturschutzgipfeln auf du und du
: Ökologische Sicherheit

Berlin (taz) – Beim Erdgipfel in Rio de Janeiro war die Nato noch kein Gesprächspartner. Auch die Pentagon-Strategen hatten die Konferenz nicht als Pflichttermin in ihrem Kalender rot eingetragen. Heute ist alles anders: Heute abend eröffnet in Montreal der Weltnaturschutzgipfel, bei dem sich die Nato- und Pentagonstrategen erstmals öffentlich mit Ökologen und Wissenschaftlern über die Zukunft des Planeten streiten. Eingeladen hat der internationale Verband zum Schutz der Natur IUCN – ein Mittelding zwischen Regierungsorganisation und Umweltverband. Auch Laienpublikum darf teilnehmen.

Die Anwesenheit von Nato und Pentagon belegt, daß sich seit dem Gipfel von Rio die internationale Umweltpolitik deutlich verändert hat. Ökologisches Überleben ist das zentrale Stichwort. Die ökologische Sicherheit, die im Mittelpunkt des zehntägigen Kongresses in Kanada steht, soll nicht nur für die über 5.000 vom Aussterben bedrohten Tierarten gelten, die auf der Roten Liste des IUCN zusammengetragen sind. Sicherheit soll auch gesucht werden für die Menschen, die auf dem unwirtlicher werdenden Planeten überleben wollen.

IUCN-Generalsekretär David Mc Dowell hat das Problem der ökologischen Überlebenssicherheit auf den Punkt gebracht: „Die Geschichtsschreibung ist voll mit den Mythen von Metropolen, die verschwanden, weil ihnen das Wasser fehlte. Ganze Kulturen sind deswegen zerstört worden. Das gleiche droht uns heute wieder.“

Nur in viel größerer Breite: Der durchschnittliche Pro- Kopf-Verbrauch an Wasser hat sich weltweit von 1940 bis 1990 verdoppelt, von 400 auf 800 Kubikmeter im Jahr. Gleichzeitig hat sich die Zahl der Menschen auf der Erde verdoppelt. Wasserkonflikte zeichnen sich im Nahen Osten am Euphrat und am Nil genauso ab wie am Ganges, von dessen Wasser Pakistan, Indien und vor allem Bangladesch leben. Schon heute schätzen Experten, daß jeder zweite Flüchtling ein Umweltflüchtling ist.

Die meisten Industriestaaten mögen sich in diesen Fragen für weniger verwundbar halten. Aber auch sie sind nicht davor gefeit, „Krieg“ um ihre Heringsschwärme zu führen oder mit Schnellbooten den Trawlern befreundeter Nationen nachzusetzen, wie der Fischereikonflikt 1995 zwischen Kanada und Spanien eindrucksvoll demonstriert hat.

Die Bundesregierung denkt noch über einen UN-Umweltsicherheitsrat nach, Nato und Pentagon sind beim Naturschutzgipfel in Montreal schon dabei. ten

Infos im Internet: http://www.iucn.org/wcc/