■ Genossenschaft beschließt über Kapitalsuche
: Das taz-Drei-Liter-Modell

Berlin (taz) – Welch ein Gegensatz. Vor vier Monaten hatten sich die taz-GenossInnen in einem düsteren Hotelsaal getroffen, um die Botschaft von der bevorstehenden Illiquidität der Zeitung zu hören. Skepsis allerorten, ob es gelingen würde, noch einmal 5.000 „Rettungsabos“ zu angeln.

Nun ist es, wie wir wissen, gelungen. Und das Ambiente der Genossenschaftsversammlung, die dies am vergangenen Samstag zur Kenntnis nehmen durfte, entsprach dem entspannenden Anlaß – der freundlich-helle glasumfaßte Lichthof des Willy- Brandt-Hauses, künftige Bundesparteizentrale der SPD, nur einige hundert Meter vom taz- Haus entfernt in Kreuzberg gelegen. Da Oskar Lafontaine noch bis 1998 in der Bonner „Baracke“ ausharrt, durfte hier einen Nachmittag lang die rekordverdächtige Zahl von 262 taz- GenossenschafterInnen tagen.

Was kommt nach der überstandenen „Vertrauensfrage“ an Leser und Leserinnen? Wie kann die taz verhindern, daß in absehbarer Zeit wieder eine neue Rettungskampagne fällig wird? Vor allem die Redaktion hatte laut Alarm geschlagen – schließlich läßt sich mit immer neuen Einsparungen auf Dauer keine bessere Zeitung machen. Woher also sollen zusätzliche KäuferInnen kommen, um steigende Kosten zu decken?

Zwei Entwicklungsszenarios standen sich gegenüber. Das Modell „taz goes big“ – ausgearbeitet von Vorstandsmitglied Klaus Wolschner – sah vor, daß eine Reihe von Investoren gemeinsam 20 Millionen Mark aufbringen und dafür einen Anteil am taz-Verlag von bis zu 40 Prozent kaufen können. Voraussetzung: publizistische Unabhängigkeit und Redaktionsstatut bleiben erhalten. Eine um vier Seiten erweiterte Zeitung, mehr Mittel für redaktionelle Schwerpunkte und Marketing sollten die Auflage in fünf Jahren auf 100.000 steigen lassen.

Als Alternative präsentierte taz-Geschäftsführer Karl-Heinz Ruch sein „Drei-Liter-Modell“ mit bescheidenerem Antrieb: Neue GenossInnen sollen geworben, alte reaktiviert und die erhofften sechs Millionen Mark Einlagen in qualitative Verbesserungen und leicht erhöhte Löhne gesteckt werden – ohne allerdings den überregionalen Umfang der Zeitung zu erhöhen. Auflagenziel: 10.000 Exmplare mehr bis zum Jahr 2000.

Die DebattenrednerInnen aus der Redaktion konnten sich damit nur schwer anfreunden: Wie sollte das, bei allerorten stagnierenden Zeitungsauflagen, zu einem stabilen Aufwärtstrend führen? Doch schon im Vorfeld hatte sich gezeigt, daß alle nicht- redaktionellen Abteilungen der taz das Investorenmodell ablehnen, weil sie die Unabhängigkeit des Verlages gefährdet sehen.

Auch unter den versammelten Genossenschaftsmitgliedern entfielen schließlich rund 80 Prozent der Stimmen auf das „Drei- Liter-Modell“. Allerdings mit einem Zusatz, der auch die Suche nach anderem als nur Genossenschaftskapital möglich macht: Der Vorstand soll allen Initiativen gegenüber offen sein, die Geldmittel für die taz versprechen. Nur dürfen ohne Zustimmung der Genossenschaftsversammlung keine Gesellschaftsanteile am taz-Verlag verkauft werden. Möglich dagegen ist künftig die Gründung von Beteiligungsgesellschaften mit fremdem Kapital – zum Beispiel für einzelne Lokalteile.

In den dreiköpfigen taz-Aufsichtsrat wurde dann noch turnusgemäß ein Mitglied nachgewählt: Die 38jährige Barbro Dreher ist seit 16 Jahren Beamtin im Berliner Finanzressort und derzeit persönliche Referentin der Finanzsenatorin Fugmann-Heesing. Auf besorgte Nachfragen versicherte sie unter dem ausgestreckten Bronzearm von Willy Brandt: „Politisch bin ich, aber nirgendwo Parteimitglied.“ Michael Rediske