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: Tränenreiche Quinntessenz

„Schön war die Zeit“, Fr., 20.15 Uhr, ARD

Zwei Jungs treffen in Hamburg aufeinander. Der eine ist gerade 65 Jahre alt geworden, heißt Freddy Quinn und gilt als die alterslose Inkarnation des deutschen Fernwehs. Der andere hat sich heimlich auf ein Boot geschlichen, nennt sich Axel und sieht aus wie die Inkarnation des pubertierenden Ausreißers. Axel wird von Freddy erwischt und mit einer Hamburgbesichtigung bestraft. Und weil Freddy viel Verständnis für blinde Passagiere und außerdem Geburtstag hat, erzählt er ihm aus seinem Leben: vom ersten Auftritt in der „Washington-Bar“ in St. Pauli, vom Auftrittsverbot in der DDR und von der Davidswache, wo er Ehren- Hauptkommissar ist. Freddy weiß, was Sehnsucht heißt, und kann ein Lied davon singen. Das tut er dann auch ziemlich oft. Und nebenbei treten Gäste auf. Heidi Kabel, die in die außergewöhnliche Rolle einer älteren Dame schlüpfte. Und Tagesschau-Sprecher Wilhelm Wieben, in einer Charakterrolle als Kneipenwirt („Zwei Bier, zwei Cola?“).

Ein 65. Geburtstag an sich muß kein Drama sein. Aber man kann eines daraus machen. Nicht nur, daß der Nichtseßhafte des deutschen Showbusiness („Heimatlos“) in seinem ARD-Special auf Fernsehballett und Scheinwerferlicht verzichten mußte; selbst ein intelligentes Drehbuch war ihm nicht vergönnt. Hat die Quinntessenz des singenden Weltenbummlers wirklich keine besseren Geschichten parat? Am Ende dieser Episode jedenfalls macht sich der flüchtige Axel Sorgen, ob sich seine Mutter vielleicht doch zuviel Sorgen macht. Und weil die Gute gerade sorgenvoll des Weges kommt, liegt man sich Sekunden später in den Armen – während Freddy sein berühmtes „Junge, komm bald wieder!“ anstimmt. Da muß man einfach schlucken – und immer wieder nachschenken ... Dirk Nitschke