Abschwung Ost in Osterstraße

Hamburger Geschäft für „Spezialitäten und Qualitätsprodukte aus den neuen Bundesländern“ muß nach zwei Jahren schließen  ■ Von Volker Stahl

Wilthener Schnaps, Freitaler Kloßbrei, Florena-Kosmetik aus Waldheim oder Spreewälder Gurken – Spitzenprodukte aus ostdeutscher Produktion sucht man in Hamburger Supermärkten meist vergeblich. Für findige DDR-Nostalgiker gab es aber einen Geheimtip, der das Kunden-Bedürfnis nach „Rotkäppchen-Sekt“ und „Bautzener Senf“ befriedigte: den Mini-Supermarkt S & Q (Spezialitäten und Qualitätsprodukte) an der Osterstraße in Eimsbüttel. Nach zwei Jahren hat Besitzerin Christa Müller jetzt ihren Laden aufgegeben.

„Vor einigen Wochen wurde mein Großhändler in Ludwigslust vom Handelshof Köln übernommen. Der erhöhte prompt die garantierte Abnahmemenge um 3000 Mark pro Lieferung. Das war mit meinem kleinen Laden nicht mehr zu machen“, nennt Christa Müller den Hauptgrund für die Geschäftsaufgabe. Doppelt bitter: Im September hatte die gebürtige Sächsin aus Zwickau das zweijährige Bestehen ihres Ladens feiern wollen. Das Jubiläum fiel aus, statt dessen mußte sie ein Schild „Räumungsverkauf“ ins Fenster hängen. Satte 150.000 Mark Verlust hat Christa Müller abzustottern: „Zwei Jahre Arbeit für nichts. Ich bin momentan nervlich am Ende.“

Die 44jährige Geschäftsfrau, die lange in Ost-Berlin lebte, durfte kurz vor dem Fall der Mauer mit ihrer Familie nach Hamburg ausreisen. Die gelernte Friseurin besorgte sich gleich nach ihrer Ankunft einen Job im Einzelhandel und arbeitete fünf Jahre lang bei Rewe: „Der Handel und der Umgang mit Menschen sind meine Welt. Nachdem ich dort in vielen Abteilungen Erfahrungen gesammelt hatte, wollte ich selbst etwas auf die Beine stellen.“ Auf einer Geburtstagsfeier im Familienkreis wurde beim Plausch über alte DDR-Marken die Idee für den Laden geboren. In ihrer Freizeit recherchierte die kaufmännische Angestelllte, welche Firmen und welche Produkte das Zusammenwachsen dessen, was angeblich zusammengehört, überlebt hatten.

Hilfe beim Start in die kapitalistische Selbständigkeit bekam sie weder von Banken noch vom Staat: „Mich ärgert es, daß viele, die vom Westen in den Osten gegangen sind, Subventionen ohne Ende erhalten und sich bereichert haben. Für mich gab es gar nichts, obwohl ich ausschließlich ostdeutsche Erzeugnisse verkauft habe.“ Die dünne Finanzdecke, die mit hohen Transportkosten verbundenen kleinen Mengen, die saftige Ladenmiete von 5500 Mark monatlich und der Großhändler-Wechsel bedeuteten schließlich das Aus für Hallenser Pralinen, Brand-Erbisdorfer Kekse, Grabower Küsse und Dr. Quents Russisch Brot in Hamburg.

„Von der Hamburger Wirtschaftsbehörde und der Handelskammer kamen nur gute Ratschläge und Durchhalteparolen.“ So wie auch von Sachsens Landesmutter Biedenkopf: „Die schrieb mir nur, ich solle tapfer bleiben.“